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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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Staue über die Luke, senkte sich mit einem kaum wahrnehmbaren Zischen herab und verschloss diese fast nahtlos. Eilig huschte ich aus der Kapelle.
     
     
    Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Mein Verstand hatte Mühe, all das zu erfassen, was ich soeben erlebt und gesehen hatte. War denn nichts auf dieser Welt, wie es zu sein schien? Was hatte Pater O’Malley mit den Anderen zu tun? Und was wusste er, über das Verschwinden meines Vaters?
    Nun, ich konnte ihn wohl kaum danach fragen.
    Eines war klar: Ich hatte Dinge gesehen, die ich, wenn es nach dem Bischof von Ennis – aber auch nach Pater O’Malley – ging, niemals hätte sehen dürfen. Nicht nur in der Nacht des Feuers, oder auf der Farm der Conners – auch in dieser Nacht. Doch je mehr ich gesehen und gehört hatte, desto weniger verstand ich. Alles war noch viel rätselhafter geworden. Und der einzige Mensch, der mir helfen könnte, zu begreifen was vor sich ging, war verschwunden. Pater O’Malley wusste, was mit meinem Vater geschehen war, das schien mir nun sicher. Doch, um mich von der Wahrheit fernzuhalten, sollte ich nun nach Galway gebracht werden, in eine Klosterschule.
    Wenn ich das zuließ, würde ich auf all die Fragen, die mir wie Feuer auf der Seele brannten, wohl nie eine Antwort erhalten; soviel war sicher. Dort würde man mir die Unverderbten Wahrheiten eintrichtern, bis auch der letzte Zweifel in mir getilgt sein würde.
    Ich musste verschwinden. Wenn ich jemals erfahren wollte, was in der Nacht des Feuers tatsächlich geschehen war – und was mit meinem Vater passiert war –, musste ich weg aus Ballynakill. Je früher desto besser.
    Zu Pfingsten, hatte der Bischof gesagt. Nun, da hatte ich noch viel Zeit, dachte ich zuerst. Zunächst einmal stand Ostern vor der Tür. In wenigen Tagen schon war Karfreitag.
    Doch je mehr ich darüber nachdachte, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass ich auf keinen Fall so lange warten konnte. Wenn ich plötzlich verschwand, so würde man mich sicher suchen. Sie würden mir auf jeden Fall Reiter hinterher schicken. Über welche Mittel Pater O’Malley wohl sonst noch verfügte, wagte ich mir gar nicht erst vorzustellen.
    Nein, wenn meine Flucht überhaupt Aussicht auf Erfolg haben wollte, so musste ich den Trubel der Osterfeiertage ausnutzen.
    Langsam reifte der Plan in mir. Die Farm meiner Eltern stand bis zum Tage meiner Freisprechung unter kirchlichem Protektorat. Alles lief dort seinen gewohnten Gang – soweit ich das beurteilen konnte jedenfalls. Denn ich musste zugeben, dass ich in den vergangenen Wochen viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen war. Ich hatte mich nicht um die Belange der Aussaat und der Viehzucht gekümmert, wie es als angehender Farmer wohl von mir erwartet wurde. Doch der alte Jack kümmerte sich um alles. Auch schien er Verständnis für meine Situation zu haben. Jedenfalls hatte er sich nie auch nur den geringsten Unmut anmerken lassen, wenn ich dort war. Die meisten unsrer Pferde waren zwar für die Feld– und Waldarbeit ausgebildet, konnten zur Not aber auch geritten werden – wenngleich es keine Sättel für sie gab. Doch da war noch immer Kayleigh, die Stute meiner Mutter, die sie in früheren Tagen genutzt hatte, für gelegentliche Ausritte über Land. Was aus Trip, dem Wallach meines Vaters, geworden war, wusste niemand.
    Ich wusste, wo ich Kayleighs Zaumzeug und Sattel fand. Vorsichtshalber würde ich aber vorher mit Jack reden. Ich würde ihm erzählen, dass ich mir das Pferd über Ostern ausleihen würde, um an der Prozession teilzunehmen. Einige der wohlhabenderen Farmer der Umgegend taten dies. Ich nahm an, der einzige Sinn lag wohl darin, mit ihrem Reichtum zu protzen. Wahrscheinlich würde Jack mich etwas schief ansehen, denn mein Vater hatte diese Prahlhanse – wie er sie nannte – stets verachtet. Doch letzten Endes würde er meine Entscheidung wohl akzeptieren.
    Wenn ich alsdann Samstagabend, gleich nach dem Abendbrot, aufbrach, könnte ich wohl einen guten Vorsprung herausholen. Ich würde dafür sorgen, dass man mich auch am nächsten Morgen nicht vermissen würde. Ich würde vorgeben, mich bereits in aller Frühe mit ein paar der anderen Jungen und Mädchen zu treffen, um für den Chor zu üben, der am Sonntag zur Ostermesse singen sollte. Einige taten das tatsächlich. Doch ich war mir sicher, ich würde dort niemanden fehlen.
    Also würde ich wohl erst zur Messe vermisst werden. Zu Ostern war Pater O’Malley nahezu rund um die Uhr

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