Das Habitat: Roman (German Edition)
wieder aus der Tür treten zu sehen. Doch nichts passierte. Alles blieb still. Das war mehr als seltsam. Sollte er etwa im Dunkeln dort drin sitzen. Das konnte ich nicht glauben – umso weniger, je mehr Zeit verstrich.
Schließlich fasste ich mir ein Herz und trat bis ganz an die Tür heran. Alles war still. Ich spähte vorsichtig hinein. Nichts. Nur mühsam konnte ich, in der fast völligen Finsternis, die Umrisse der kurzen Sitzreihen, sowie des kleinen Altartischchens ausmachen. Die Kapelle war ansonsten leer. Von Pater O’Malley war nichts zu sehen. Ich war völlig irritiert. War er vorhin doch wieder herausgekommen, und ich hatte es im Dunkeln nur nicht bemerkt? Das konnte ich einfach nicht glauben. Dennoch musste es wohl so gewesen sein. Dann sah ich das Licht erneut – das heißt, eigentlich ahnte ich es mehr, als dass ich es wirklich sah. Es war nur ein winziger, kaum wahrnehmbarer Schein. Selbst in der fast völligen Dunkelheit war er kaum zu erkennen. Er drang durch eine Ritze am Rand einer der Bodenplatten. Darauf stand eine Madonnenstatue, auf einem steinernen Podest.
Leise schlich ich mich heran. Für einen kurzen Moment vermeinte ich plötzlich Stimmen zu hören – Stimmen die direkt aus dem Boden unter mir kamen. Ich lauschte angestrengt. Doch nichts weiter war zu hören, als mein eigener Atem.
Probehalber versuchte ich, an der Statue zu ziehen. Doch dies zeigte keinerlei Wirkung. Auch als sie ich in die entgegengesetzte Richtung drückte rührte sich nichts. Ich wollte bereits aufgeben, da kam mir die Idee, zu versuchen, sie zu drehen. Und tatsächlich – wenn man beide Hände um sie legte und sie im Uhrzeigersinn drehte, ließ sie sich ganz leicht bewegen. Dann vernahm ich auf einmal ein leises Knacken, so wie wenn ein Schloss einschnappte. Ein sanftes Zischen ertönte und die Bodenplatte, samt Podest und Statue, wurde sanft in die Höhe gehoben und schwang fast lautlos zur Seite.
Ich erschrak mächtig über diese unerwartete Wirkung und trat rasch beiseite.
Nun strahlte das Licht deutlich heraus. Ein steter Schein, ohne jegliches Flackern. Ich erwartete, Pater O’Malley aus dem Loch auftauchen zu sehen, der mich wirsch fragen würde, was ich hier zu suchen hätte. Doch nichts dergleichen geschah.
Als ich meinen ersten Schreck schließlich überwunden hatte, wagte ich es, vorzutreten und einen vorsichtigen Blick in die Grube zu werfen. Ich erblickte die obersten Stufen einer Wendeltreppe. Jetzt erst kam mir zu Bewusstsein, dass die Stimmen wieder zu hören waren. Doch noch immer waren sie so leise, dass ich kein Wort wirklich verstand. Wer immer dort unten sprach, er musste ein gutes Stück entfernt sein von der Treppe.
Ich atmete tief durch und betrat die erste Stufe. Vorsichtig schlich ich mich hinab. Das Licht wurde zunehmend heller und die Stimmen etwas lauter.
Als ich schließlich unten angelangt war, blickte ich auf einen langen schmalen Gang. Zu beiden Seiten waren kleine Türen zu sehen. Sie schienen jedoch verschlossen. In der Mitte des Ganges war eine längliche weiße Schiene an der Decke angebracht. Von ihr strömte das Licht aus, das alles hell erleuchtete. Am Ende des Ganges befand sich eine weitere Tür. Sie war nicht ganz geschlossen. Ein schmaler Spalt, zwischen Tür und Türstock, war zu sehen. Aus ihm drang ebenfalls ein gleichmäßiges Licht.
Langsam schlich ich darauf zu. Nun konnte ich die Stimmen deutlich vernehmen. Die eine gehörte Pater O’Malley.
„Die neue Mutationssichtung erwies sich schließlich als Irrtum“, sagte er. „Patrik ist oft etwas übereifrig und meldet Funde, die sich im Nachhinein all zu oft als Fehlalarm erweisen.“
„Dann sollten Sie verstärkt Schulungen abhalten“, entgegnete eine mürrische, jedoch eigenartig seltsam klingende Stimme.
„Ja, Exzellenz. Doch darf ich Exzellenz daran erinnern, dass ich noch immer ohne Anwärter auf das Priesteramt dastehe. Bereits im vergangenen Jahr wurde mir vom Ordinariat Unterstützung versprochen.“
Ich wagte es bis ganz an die Tür heranzutreten und lugte vorsichtig durch den Spalt. Was ich sah verschlug mir den Atem. Der Raum war vollgestopft mit Büchern und allerlei Gerätschaften. Pater O’Malley saß halbseitlich zu mir – eher mit dem Rücken in meine Richtung –, doch hätte er mich wohl bemerken können, wäre seine Aufmerksamkeit nicht so sehr von etwas anderem gefangen gewesen.
Vor sich, auf dem Tisch, hatte er eine Art schmales aber großformatiges Buch liegen, das er
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