Das Habitat: Roman (German Edition)
hätte ich mich wohl, trotz aller Neugier, niemals getraut, meinem Vater hinterher zu schleichen.
Plötzlich kam mir wieder sein Blick in Erinnerung, da (was ich erst später erfahren hatte) die alte Sophia beim Saubermachen Robinson Crusoe unter meiner Matratze gefunden hatte. Schon damals war es mir für einen kurzen Moment so vorgekommen, als wäre seine Wut vielmehr Besorgnis gewesen – große Besorgnis um mich! Seinerzeit jedoch war ich eher mit den Konsequenzen meines Vergehens beschäftigt gewesen, als dass ich diese Erkenntnis wirklich in mich aufgenommen hätte. Nun aber war wohl es zu spät, all das zu hinterfragen. Mein Vater war der einzige, der mir diese Fragen hätte beantworten können. Doch selbst wenn er es getan hätte – was ich bezweifelte – nun jedoch war er verschwunden.
Vielleicht hätte irgendetwas in seinem Arbeitszimmer Hinweise geben können – doch das war verbrannt. Alle Geheimnisse, die es möglicherweise geborgen haben mochte, waren in Rauch aufgegangen. Außer einem Berg Asche und ein paar verkohlter Reste der Wände war nichts mehr davon übrig.
Die Flucht
Es war bereits weit nach Mitternacht, als ich mich zum Pfarrhaus zurückschlich. Den ganzen Nachmittag hatte ich auf dem Feld verbracht, auf dem mich Pater O’Malley, am Morgen nach dem Brand, bewusstlos aufgefunden hatte. Nicht zum ersten Mal übrigens. Ich glaubte, die richtige Stelle längst gefunden zu haben. Ich hatte nach dem kleinen Pfeil gesucht, der damals in meinem Oberschenkel gesteckt hatte. Doch ich konnte ihn nie finden. Dass ich mir das jedoch nicht nur eingebildet hatte, bewies der rote Fleck, der sich noch tagelang auf meiner Haut abgezeichnet hatte. Von Miss Patricia jedoch war er nur als kleine Verletzung angesehen worden, die ich mir wohl zugezogen hatte, als ich im Dunkel durch die Gegend gestolpert war.
Am Abend war ich zurück gekehrt ins Pfarrhaus. Mrs. Cole, Pater O’Malley’s Haushälterin, konnte ziemlich unangenehm werden, wenn man nicht rechtzeitig zu den Mahlzeiten erschien.
Sobald es mir möglich gewesen war aber, hatte ich mich mit einem Gute Nacht Gruß davon gemacht, auf mein Zimmer. Eine der wenigen Vorteile meines neuen Zuhauses war es, dass mein Zimmer ebenerdig lag, mit einem Fenster nach hinten raus – und ich mich somit leicht ungesehen davonstehlen konnte.
Ich hatte die halbe Nacht im Rosedalehaus verbracht und gegrübelt. Nun aber war ich auf den Weg zurück. Es würde nur unangenehme Fragen nach sich ziehen – und mit Sicherheit eine stärkere Überwachung – wenn ich des Morgens nicht in meinem Bett vorgefunden würde.
Wie ich bereits erwähnte, ging mein Zimmer nach hinten raus. Ich musste also sowohl die Kirche als auch das angeschlossene Pfarrhaus umrunden. Dabei kam ich nahe an der kleinen Kapelle vorbei, welche dort, halb versteckt von Apfelbäumen, stand. Sie wurde im Allgemeinen nicht genutzt. Nur Pater O’Malley zog sich bisweilen dorthin zurück. In Klausur – wie er es nannte. Dann wollte er nicht gestört werden. Dies war sowohl mir als auch Mrs. Cole bekannt. Nun, mir wäre es auch im Leben nicht eingefallen, ihn dort zu stören. Ich mied ihn ohnehin, so gut ich konnte. Und wenn er sich (oft für mehrere Stunden) dorthin zurückzog – umso besser!
Für gewöhnlich ging ich achtlos daran vorüber. Diesmal jedoch erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Ich weiß nicht mehr ob es ein Geräusch war, oder ob ich zuerst den schwachen Lichtschein wahrnahm. Jedenfalls sah ich wie jemand hineinschlich und die Tür hinter sich zuzog. Doch sie fiel nicht richtig ins Schloss. Nach einigen Augenblicken ging sie nahezu lautlos wieder ein Stück weit auf. Erneut sah ich einen schwachen Lichtschein herausfallen. Doch irgendetwas kam mir seltsam vor an dem Licht. Auf einmal durchfuhr es mich wie ein Blitz – es war der selbe weiße (wenngleich auch wesentlich schwächere) Schein, den ich bereits zweimal bei den Anderen gesehen hatte. Mir stockte der Atem. Das Licht drang zwar nur zaghaft – doch ohne jegliches Flackern – durch den Spalt der leicht geöffneten Tür.
Wäre dieses Licht nicht gewesen, so hätte ich mich in dieser Nacht nie und nimmer auf die kleine Kapelle zugeschlichen. Normalerweise war ich froh, wenn ich Pater O’Malley nicht zu Gesicht bekam und es wäre mir im Traum nicht eingefallen, ihm hinterher zu spionieren.
Als ich mich der Kapelle jedoch näherte verschwand das Licht plötzlich. Ich lauschte in die Dunkelheit und erwartete, den Pater
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