Das Habitat: Roman (German Edition)
wandte ihren Blick nun wieder Henderson zu. „Ich nehme an die anderen drei Engelchen sind ebenfalls von dort. Obwohl wir keinerlei Kunde von weiteren Vermissten erhielten“, Sie fasste sich dabei nachdenklich ans Kinn. „Aber das wird sich ja wohl ohne weiteres feststellen lassen.“
Mich durchfuhr ein Zittern. Ich dachte zurück an jenen Abend, da ich Pater O’Malley belauscht hatte, bei seinem Gespräch mit dem Bischof. Mir war sofort klar, dass, wenn die Barmherzigen Schwestern über eine ähnliche Art der Nachrichtenübermittlung verfügten – woran ich keinen Augenblick zweifelte –, dies lediglich eine Frage von Minuten wäre. Doch davon ahnten die anderen natürlich nichts. Ich war sicher, Allen und Eileen zumindest glaubten bestimmt, mehrere Tage lang Zeit zu haben, bis ein Bote hier wäre, der die Dinge richtig stellen würde. Bis dahin – so rechneten sie sich sicher aus – hätten sie vielleicht bereits eine Möglichkeit zur Flucht gefunden. Ich wünschte mir auf einmal, ich könnte ihnen irgendwie eine Warnung zukommen lassen.
Wir wurden einen langen Gang entlang geführt, wo wir schließlich von weiteren Frauen in Ordenstracht empfangen wurden. Henderson hatte sich wortreich und irgendwie verlegen von uns verabschiedet. Ja, irgendwie wirkte er auf mich sogar etwas schuldbewusst. Wenn wir denn erst einmal freigesprochen waren, vom Stande der Unwissenheit – so hatte er uns noch stammelnd angeboten –, würde sich womöglich auf seiner Farm eine Arbeit für uns finden. Und wenn nicht bei ihm, so vielleicht auf einer der Nachbarfarmen. Auch seine Begleiter hatten uns noch ein paar wohlmeinende Blicke zugeworfen. Dann waren sie in den Regen hinaus verschwunden.
Eileen wurde sogleich von uns Jungen getrennt. Sie würde ins Mädchenhaus hinüber gebracht, so flüsterte Ryan mir zu. Die Gepflogenheiten der Waisenhäuser schienen überall dieselben zu sein. Auch seine Vorhersage, als Ausreißer würden wir für die ersten Wochen nicht in den großen Gemeinschaftsschlafsälen untergebracht, sondern in verschlossenen Einzelzimmern, bewahrheitete sich.
Zunächst aber wurden wir erst einmal gründlich gewaschen. Wir mussten uns entkleiden, in einem weißgekachelten Raum. Völlig nackt standen wir schließlich vor den hiesigen Sorgern. Die Schwestern warteten währenddessen draußen vor der Tür. Es war eine zutiefst demütigende Prozedur. Wir wurden mit Kübeln kalten Wassers übergossen. Alsdann wurden wir gründlich eingeseift und mit rauen Bürsten so lange geschrubbt, bis ich schon dachte, meine Haut wäre völlig abgescheuert. Anschließend wurde erneut das eisige Wasser über uns ausgeschüttet.
Unsere persönlichen Sachen wurden entsorgt und wir wurden angewiesen, in die weißen Einheitshemden zu schlüpfen. Die Hosen waren ebenfalls gebleicht und aus dem selben Material. Hierzu erhielten wir jeder ein paar Ledersandalen, sowie noch eine merkwürdige Art Holzschuhe mit Lederkuppe – „Für draußen!“, wie man uns sagte.
Wir sahen aus wie rosa Schweinchen, die man als Müllerburschen verkleidet hatte – so zumindest drückte Ryan es aus.
Als wir durch die Tür traten, nahmen sich die Schwestern erneut unserer an. Sie führten uns zu den uns zugewiesenen Zimmern.
Zuerst war Allen an der Reihe. Mir war aufgefallen, dass er den ganzen Tag über noch kein Wort von sich gegeben hatte. Nicht einmal als Eileen von uns separiert worden war, hatte er auch nur mit einem Zucken seiner Miene erkennen lassen, was in ihm vor sich ging.
Ryan und ich wurden alsdann zu zwei Türen geführt, die unmittelbar neben einander lagen.
Ich blickte in einen hellen sauberen Raum mit einem hohen vergitterten Fenster. Das Zimmer wirkte steril. Dennoch hatte man sich offenbar Mühe gegeben, den Raum freundlich auszustatten. Wenngleich auch dieser Versuch kläglich gescheitert war, wie ich fand, so möchte ich dennoch den Schwestern zumindest die gute Absicht nicht absprechen.
Ein Bett das leidlich bequem aussah, ein Stuhl, ein Schrank sowie eine Waschschüssel bildeten die gesamte Ausstattung. Über der Tür hing ein Kreuz und das Bildnis eines Heiligen zierte die gegenüberliegende Wand des Bettes. Auf dem Tisch, neben einer Kerze, lag eine schwere gebundene Ausgabe des Katechismus der Unverderbten Wahrheit.
„In einer Stunde wird das Abendessen aufgetragen.“, sagte die Schwester, die mich unter den wachsamen Blicken einer der Sorger hineingeleitete. Dann schloss sie die Tür von außen. Ich hörte
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