Das Habitat: Roman (German Edition)
nicht.“
„Aber ihr jagt meinen Vater!“ Ich funkelte ihn an, dann durchfuhr mich die Erkenntnis wie ein Blitz. „Ist es das? Ist er der Preis, den ich zahlen muss, wenn ich mit Sarina nach Ballynakill zurückkehre?“
Er erwiderte nichts, sah mich nur an.
„Ich habe also recht. Ich soll meinen Vater verraten, um mir selbst ein schönes Leben zu erkaufen.“
Er schüttelte den Kopf.
„Du missverstehst das alles. Die Menschen hier sind einfach noch nicht soweit. Die Zeit ist noch nicht reif. Jede Art von Kontakt, mit der Welt jenseits des Wassers, würde den großen Plan in Gefahr bringen!“
Mit einem mal wurde ich mir bewusst, wie fremd wir uns doch waren. Der einzelne Mensch spielte für ihn überhaupt kein Rolle, wenn es galt, das Große und Ganze zu beschützen. Er würde jederzeit bereit dazu sein, alles was seinen großen Plan in Gefahr brachte – oder auch nur den Anschein erweckte, dies möglicherweise zu tun –, rücksichtslos zu bekämpfen. Und er würde dabei keine Mittel scheuen. Das erkannte ich im Blick seines Auges.
Doch plötzlich wandte er sich von mir ab.
„Aber vielleicht machst du dir ja völlig unnötig Sorgen, Liam. Vielleicht musst du überhaupt niemanden verraten. Wir haben noch andere Möglichkeiten.“
Er fixierte nacheinander ein paar der Symbole und das Bild Irlands verschwand. Stattdessen konnte ich nun, von oben herab, auf das Haupt eines Mannes sehen, der in einem kleinen Raum auf einem Bett saß. Der Mann hatte dichtes lockiges Haar. Genau wie... Nein, das durfte nicht sein!
„Wir konnten uns natürlich nicht darauf verlassen, dass du uns auch wirklich zum Ziel führen würdest. Deshalb mussten wir uns deines Freundes Marten ebenfalls annehmen. Er hat sich uns lange entzogen. Doch als ich vorhin weggerufen wurde, da war das, um mir mitzuteilen, dass er endlich eingefangen war. Ich persönlich hätte es ja vorgezogen, ihn weiterhin nur aus der Ferne zu beobachten. Irgendwann hätte er uns vielleicht doch zu unserem Ziel geführt. Aber nun ist es einmal so wie es ist.“
All mein Mut war mit einem Mal verschwunden. Irgendwie hatte ich mich wohl unbewusst darauf verlassen, dass Marten mich womöglich finden würde – ja, mir vielleicht sogar würde helfen können. Mir und... Sarina. Doch nun war alles aus – alle Hoffnung dahin.
Dann hob der Mann den Kopf und blickte nach oben – gerade so, als könne er unsere Blicke auf sich spüren. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Wer immer das auch sein mochte – es war nicht Marten. Dort, in diesem kleinen Raum, saß ein völlig Fremder. Vor Erleichterung zitterten mir die Knie.
Erst sehr viel später erfuhr ich, dass Marten, als er sich seiner Verfolger gewahr geworden war, einen armen Tagelöhner dafür fürstlich bezahlt hatte, seinen Wagen und seine Identität anzunehmen, während ihm selbst es gelungen war, unerkannt unterzutauchen. Damals war ich jedoch einfach nur unendlich erleichtert, dass es sich bei dem Gefangenen nicht um Marten handelte.
Eines aber wurde mir sofort klar: Vorerst war ich wohl davor sicher, dass Donahugh und seine Leute zu intensiv auf mich eindrangen, um mir mein vermeintliches Wissen zu entreißen. Sie würden es wohl erst weiterhin auf die sanfte Tour versuchen. Doch irgendwann würden sie wohl dahinter kommen, dass sie den Falschen gefangen hielten. Dann würde ich sofort wieder in ihren Fokus geraten. Da machte ich mir nichts vor.
Der Bewahrer führte mich langsam in Richtung Tür.
„Überlege es dir mein Junge. Du tust damit nichts Böses. Im Gegenteil – du hilfst nur ein paar verirrte Geister, auf den richtigen Weg zurückzuführen. Bis dahin wirst du natürlich unser Gast sein.“
„Und Sarina!“, presste es aus mir heraus.
Er sah mich gutmütig an.
„Man wird dich zu ihr führen. Und für die Dauer eures Aufenthaltes hier, dürft ihr euch natürlich völlig frei auf dem Gelände bewegen. Betrachtet euch nicht als Gefangene – betrachtet euch als Gäste.“
Ich schnaubte unwillkürlich.
„Lass dir alles, was ich dir heute erzählt habe, erst einmal in Ruhe durch den Kopf gehen. Dann wirst du erkennen, was das Richtige ist, Liam. Aber vielleicht...“ (wir hatten die Tür erreicht) „kann dich ja jemand anderes von unserer Aufrichtigkeit und der Notwendigkeit unseres Handelns überzeugen.“
Wir traten auf den hellen Gang hinaus und plötzlich stand ich jemanden gegenüber, von dem ich nun wirklich niemals erwartet hätte, ihn hier anzutreffen.
„Malcolm!“, rief
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