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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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worden. – Am Bayrischen Platz hat einer einfach nur einen Namen in eine Telefonzelle gekritzelt: Bahro. Was meinst du, wie das wirkt. Das fährt dir in die Glieder wie ein Stromstoß. – Ich weiß. – Warum bist du denn so mutlos? – Wir müssen auch an die Konsequenzen denken. Das ist kein Jungenstreich. Aber du hast schon recht, wenn wir untätig bleiben, sind wir Memmen. – Wir brauchen was in der Art: Noch ist Polen nicht verloren, einmal kommt der Tag der Rache, Freiheitsadler, auf! Erwache! Lasst uns kämpfen, wie geschworen. Noch ist Polen nicht verloren! – Was gefällt dir daran? – Die Ausrufezeichen und die Reime. – Ich finde, es hat nichts mit unserem Anliegen zu tun. – Und wie ist das, was ich mir hier notiert habe: Immer aber gilt noch mit Recht die Klage, dass wir nicht politisch genug sind. Damit wir dies immer mehr werden, dafür muss jeder redliche Deutsche denken und streben und auf seine Weise den Kampf durchkämpfen helfen, der nicht allein auf den Schlachtfeldern entschieden werden kann. Arndt. – Es kommt ein falscher Ton rein. Bei Arndt denkt man doch immer gleich an das Gefasel vom ganzen Deutschland. – Ja, eben. – Das ist nicht mein Fall. Es sollten unsere eigenen Worte sein. Du kannst ja trotzdem einen Reim und ein Ausrufezeichen verwenden. – Jedenfalls müssen wir die Aktion im Westen ankündigen. Wir brauchen die Öffentlichkeit drüben. Das ist eine Nachrichtengesellschaft, wenn wir unser Anliegen da nicht platzieren, kräht kein Hahn nach uns. Wir müssen die Medien für unseren Fall interessieren. Auch als Schutz. – Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn es schiefläuft. – Ich meine, die im Bundesministerium wissen ja durchaus, dass es uns gibt, doch sie rühren sich erst, wenn sie öffentlich unter Druck gesetzt werden. – Angenommen, die Westmedien berichten vor der Aktion davon? Dann können wir einpacken. Außerdem sind wir kleine Fische. Warum sollten die sich für uns interessieren? – Aber klar doch. Wenn du eine Geschichte zu verkaufen hast, interessiert sich der Westen für dich. Wir müssen eben eine Geschichte draus machen, eine große Sache. – Wir müssen vor allem klarstellen, dass wir humanitäre Gründe haben. – Wir müssen denen sagen, wie sehr wir hier fertiggemacht werden, die ganze Schikane. Denk an Report oder Kennzeichen D: Wenn es einen politischen Skandal gibt, dann berichten sie auch. Und die Bundesregierung kauft sowieso nur politische Häftlinge frei. – Rüdiger, ich will nicht einfahren. – Mir wär’s recht. Alle Politischen werden früher oder später abgeschoben. – Ja, aber erst nach ein, zwei Jahren. Die musst du durchstehen. Genau wie deine Familie.
    Ich vermisse dich so sehr in meinem Jahr 1966, als ich zwanzig wurde und mich nach einer großen Liebe sehnte. Weißt du noch, als der Kohlegeruch sich mit dem Frost mischte, dieser metallische Himmel, als du beim Sehen schon wusstest, dass er dir Erinnerung sein würde, als er mit dem Schließen der Augen schon Vergangenheit war, von nun an für immer vermisst. Ich bin weg.
    Wodka schmeckt nach Vanille, Paella nach Himmel und Erde.
    Krüger sagt, er habe Pfeiffer im Haftkrankenhaus getroffen, nachdem bei ihm selbst alle Sicherungen durchgeknallt seien. War er da wegen seines Kopfes?, fragst du. Nach eurer Verhaftung hatten euch die Ziviltypen Handschellen angelegt und zu einem unscheinbaren Wartburg gezerrt. Einer riss die Tür auf, ein Zweiter richtete Pfeiffer auf, und ein Dritter wuchtete seinen Kopf gegen die Kante des Autodachs. Eine Unachtsamkeit des Verhafteten beim Einsteigen, alles Kopfsache. Du hast dich gekrümmt und nicht strecken lassen, sodass sie dich schließlich bloß auf die Rückbank warfen. Eingekeilt zwischen zwei Wächtern, ging es zuerst zum Revier in der Ritterstraße. In dieser Mitternacht war die Stadt heller als sonst. Pfeiffer heulte Blut und Tränen. – Denk an alles, was wir besprochen haben, rauntest du ihm zu. – Mein Kopf, wimmerte er. – Schnauze halten, kam es von der Seite. – Ja, sagte Krüger, es war definitiv der Kopf. Der war völlig kaputtgespielt, der Kopf von diesem Pfeiffer.
    Wieso hast du dich damals eigentlich nicht in der Ständigen Vertretung verschanzt? Das wolltest du doch. – Janein.
    Einen Tag nach dem Ableben meiner Frau wurde mir vom Stadtbezirk die Streichung meines Wohnungsantrags nahegelegt. Da wir nur noch zu zweit seien, so die Begründung, bestehe keine Dringlichkeit

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