Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
Vom Netzwerk:
holen. Dringlich. Aber dafür müsste er aufstehen, und aufstehen geht gerade gar nicht. Lass sie klopfen, die Spechte im Kopf, lass sie klopfen. »Herein«, ruft er, und Jakob schiebt seinen Kopf durch den Türspalt. »Ich muss jetzt zum Hort«, sagt der Junge, sein Gesicht ist verschattet. – »Wieso?«, fragt er. – »Ferienhort«, erklärt Jakob. – »Ach so«, sagt er. »Soll ich dich fahren? Warte, ich fahre dich.« – »Ich kann auch laufen«, sagt Jakob. »Das Auto springt sowieso nicht gleich an.« – »Gut«, sagt er. »Dann hol ich dich ab.« – »Brauchst nicht«, sagt Jakob. »Falks Papa kann mich mitnehmen.« Er will noch fragen, ob Jakob sich ein Brot geschmiert hat oder ob er ihm Essensgeld mitgeben soll, doch der Junge hat die Tür schon hinter sich geschlossen und steigt die Trep pe hinunter. Kein Wunder, dass er seinen Vater von der Schule fernhält. Sein Vater ist ihm peinlich, er bringt ihn nur in Schwierigkeiten. So geschehen kurz vor den Ferien. Angefangen hat es damit, dass Jakob ihm von dem Pioniermanöver erzählte. Es war eher ein Geständnis, eine Beichte. Fassungslos hat er zugehört und sich Notizen gemacht. Winterzeit ist Manöverzeit, habe der Mann von der Gesellschaft für Sport und Technik gesagt, der einen Vortrag vor der 5 b über die Notwendigkeit der Wehrbereitschaft der Bevölkerung, auch der Thälmannpioniere, hielt. Er legte Folien auf den Projektor, den Polylux, und zeigte Bilder von Pionieren, die eine Partisanenaktion machen, es gibt ein Funkgerät und eine Schneehütte und ein Munitionslager der Faschisten, das natürlich gestürmt wird. Die Bilder regen den Appetit an, auch Jakobs, da kann er leugnen, sosehr er will. Die Lehrerin übernimmt und redet vom roten Halstuch als Teil der Fahne der Arbeiterklasse, von revolutionären Arbeitern seit je mit Stolz getragen, Banner des Kampfes, kämpfen sollt auch ihr, auf, auf zum Kampf. Der Freundschaftsrat soll einen Manöverstab berufen, bestehend aus Kommandeur, Polizeikommissar, dem Leiter der Aufklärung, dem Leiter der Verpflegung und dem Leiter des Sanitätsdienstes. Natürlich kommt sein Junge dafür nicht infrage. Zum Kulturoffizier wird Falk Ulmen ernannt, der sommersprossige Bursche von nebenan. Der Stab und das Fußvolk suchen einen guten Namen für das Manöverspiel. Im Gespräch sind »Partisanenpfad«, »Oktobersturm«, »Parole Maulwurf«, »No pasarán«. Jakob hat sich aus allem herausgehalten, das schwört er hoch und heilig. Selbst als Falk sagt, er solle mal was beisteuern, er habe doch immer so gute Ideen, hält er die Klappe. Behauptet er wenigstens. Schließlich einigt man sich auf den Namen »Roter Bisam«, was gut passt, da die Partisanen – oder was auch immer die Kinder darstellen – die Kegelbahn der Sportgaststätte »Rotation« zum Bunker umbauen müssen. Das ist ihre Aufgabe, so steht es in dem Tagesbefehl, den ihnen der Mann von der GST nach dem Manöverappell überreicht. Die Klassenlehrerin ist begeistert, gerade weil die Bedrohung ernst ist: Der Klassenfeind wird einen nuklearen Schlag ausführen, wahrscheinlich noch in der Nacht. Bevor Leuchtmunition am Himmel erblüht, müssen die Kippfenster der Kegelbahn mit Splitterschutz gegen den radioaktiven Staub verklebt und muss eine Kochstelle eingerichtet sein, Matratzen, Decken, Lebensmittelvorräte und Getränke für eine längere Zeit des Überlebens müssen beschafft werden. So steht es im Tagesbefehl. Aus eigenem Antrieb beschließen die Kinder, Spiele wie »Mensch ärgere dich nicht« heranzuschaffen, gegen die Langeweile. Eine Mitschülerin wird gedrängt, ihre Schildkröte zu holen. Man brauche ein Tier, das man hinausschicken könne, um zu testen, ob das Gebiet noch kontaminiert sei, sagen die Mitglieder des Manöverstabs. Kontaminiert. Das Mädchen sträubt sich erst, sieht aber dann ein, dass das Leben einer Schildkröte wertlos ist im Vergleich zum Leben von neunundzwanzig Thälmannpionieren (minus drei). Das erfährt Jakob erst später, Falk erzählt es ihm. Denn Jakob ist nicht im Bunker. Zusammen mit Kerstin, der Tochter des Pfaffen, und einem Sitzenbleiber ist er der Klassenfeind. Was die Bunker-Pioniere nicht wissen: Nach erfolgter Detonation wird der Klassenfeind versuchen, den Schutzraum zu stürmen. Denn dem Klassenfeind ist nicht daran gelegen, alles Leben auszulöschen und eine nukleare Wüste zu hinterlassen. Vielmehr möchte er das Land erobern und besetzen. Also marschiert der Klassenfeind in ABC -Kleidung

Weitere Kostenlose Bücher