Das Halsband des Leoparden
Lupin.«
»Bravo, Holmes! Ich weiß nicht, was die anderen tun werden, ich jedenfalls bleibe bei Ihnen. Im Weinkeller lagert ein ausgezeichneten Champagner!«
Er klopfte mir lachend auf die Schulter und wurde dann ernst.
»Nun denn, an die Arbeit. Gehen Sie in unser Zimmer und holen Sie das Stethoskop aus meinem Koffer. Es steckt in einem schwarzen Lederetui. Tragen Sie es sehr vorsichtig, die Membran istäußerst empfindlich. Ich gehe indessen, um keine Zeit zu verlieren, zurück in den Keller und markiere dort alle verdächtigen Orte. Ich wollte das nicht in Gegenwart von Mr. Fandorin tun, um ihm nicht die Arbeit zu erleichtern. Und noch eins: Bringen Sie bitte das hier mit.«
Verlegen lächelnd tat Holmes, als spiele er Geige. Ich nickte verstehend.
Einer der Gedanken, die mein Freund von seinen Reisen durch den Fernen Osten mitgebracht hat, lautet: Der Verstand funktioniert am besten, wenn in der Seele Harmonie herrscht. Und die erlangt man am leichtesten durch die Musik. Seit einiger Zeit nahm Holmes selbst bei Ermittlungen in entlegenen Orten oft seine Geige mit – sie half ihm, sich in die nötige Stimmung zu versetzen. Anfangs schien mir diese Gewohnheit absonderlich, doch mit der Zeit fand ich darin einen eigenen Reiz.
Wir trennten uns also. Holmes ging hinunter, ich hinauf in den ersten Stock.
Hinter der Tür unserer Nachbarn hörte ich Fandorins ruhige Stimme, der seinem Assistenten etwas erklärte. Ich vernahm das klangvolle Wort »etorass« – allerdings weiß ich nicht, was es bedeutet. Ich empfand Mitleid mit dem selbsternannten Detektiv, der sich mit Sherlock Holmes messen wollten.
Das Reiselaboratorium meines Freundes war prall gefüllt: Chemikalien, Schminkutensilien, eine daktyloskopische Ausrüstung, diverse Geräte und geheimnisvolle Werkzeuge. Erst nach einigem Suchen fand ich das schwarze Lederetui mit dem Wappen der Firma für medizinische Geräte »Pilling & Son« zwischen einem Bündel Dietriche und einer Schachtel Revolverpatronen. Ich öffnete es und schaute hinein. Ja, das war mein altes Stethoskop. In die andere Hand nahm ich die Geige.
Mein prächtiger Koffer mit der bescheidenen karierten Hülle stand noch unausgepackt da. Ich beschloss, mich später umzuziehen,zu Mitternacht – dann würden wir noch mehr zu feiern haben als das neue Jahr. Ich sah es förmlich vor mir: Holmes und ich seelenruhig, alle anderen nervös, einige haben gar das Weite gesucht. Die Uhr schlägt, gegen meinen Willen stockt mir das Herz – was, wenn mein genialer Freund sich doch geirrt hat? Eine großartige Szene!
Ganz vorsichtig ging ich die steile Treppe hinunter, mir meiner großen Verantwortung bewusst. Wenn ich das Stethoskop fallenließ und die Membran zerschlug, wäre das das Ende unserer Ermittlungen.
Wohlbehalten erreichte ich das Erdgeschoss, stieg noch eine halbe Treppe tiefer, und plötzlich erlosch im ganzen Haus das Licht. Ich erwähnte ja bereits, dass dies auch zuvor schon passiert war, doch nie länger als für einige Sekunden, darum blieb ich stehen und wartete.
Doch es verging eine Minute, eine zweite, und das Licht blieb aus. Ich hatte Streichhölzer in der Tasche, aber wie sollte ich sie hervorholen und anzünden – mit der Geige in der einen und dem Etui mit dem wertvollen Stethoskop in der anderen Hand?
Was blieb mir übrig? Vorsichtig ertastete ich mit dem Fuß die nächste Stufe, dann noch eine. Bei der dritten rutschte ich aus und stürzte mit entsetzlichem Gepolter hinunter.
Ich hatte mir heftig den Arm gestoßen und war mit der Stirn so stark aufgeprallt, dass ich für eine Weile taub und blind war – obwohl ich Letzteres nicht mit Sicherheit behaupten kann, denn bei der absoluten Finsternis ringsum konnte man ohnehin nichts sehen.
Dann ging das Licht wieder an, und ich entdeckte, dass ich auf dem Fußboden lag. Der Geigenkasten war auf die eine Seite, das Etui mit dem Stethoskop auf die andere Seite geschleudert worden und hatte sich geöffnet. Die Gummischläuche hingen hilflos wie tote Halme auf der Treppe.
Ich griff mir entsetzt an den Kopf.
In dieser kläglichen Lage fand mich Holmes, der auf den Lärm hin aus dem Keller herbeigeeilt war.
»Alles noch heil?«, fragte er rasch.
»Bis auf das Stethoskop«, antwortete ich mit ersterbender Stimme und kniff die Augen zu – schlagartig erfasste ich das ganze Ausmaß meines Versagens.
Holmes hockte sich nieder und tastete mit der Hand die Stufen ab. Er hob einige winzige Glassplitter auf, seufzte und wischte
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