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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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darüber habe ich bislang nicht nachgedacht.« Fandorin-Dono stellte das Glas beiseite. Unser britischer Kollege spielt Schach, soll er sich den Kopf über diesen Code zerbrechen. Wir beide werden uns nicht um den Code kümmern, sondern um dessen Verfasser. Also um Monsieur Lupin selbst. Gut, dass unser Gastgeber ein Anhänger des Fortschritts ist und etwas für die Elektrizität übrig hat. Noch besser ist, dass die Stadt Saint-Malo an das überregionale Telefonnetz angeschlossen ist. Ich werde als Erstes Verbindung zu Kommissar Ganimard von der Pariser Polizei aufnehmen. Ich hoffe, er hat nicht vergessen, welchen Dienst wir ihm erwiesen haben. Der Kommissar wird mich mit der Bertillonage-Abteilung verbinden. Irgendwer muss ja dort selbst am Silvesterabend Dienst haben, oder? Da Arsène Lupin bereits einmal in Haft war, müssen seine anthropometrischen Daten in der Kartei verzeichnet sein. Wie virtuos ein Mensch sich auch verwandeln kann, wir beide wissen, dass es äußere Kennzeichen gibt, die sich nicht verändern lassen. Zum Beispiel die Form der Ohren oder die Farbe der Regenbogenhaut des Auges. Mein zweiter Anruf gilt London, Professor Smiley. Er ist ein Stubenhocker und feiert das neue Jahr bestimmt im Kreise seiner Familie.«
    (Smiley-Sensei ist Spezialist für Krankheiten des Nervensystems. Im vorletzten Jahr konsultierte er uns im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Lady Brokenbrigde. Sobald ich diese Geschichte beendet habe, werde ich unbedingt diesen Fall beschreiben, denn er war ungewöhnlich und lehrreich. Einen Titel dafür weiß ich schon: »Die traurige Geschichte von einer edlen Dame, die ihr untreuer Gatte raffiniert zugrunde richtete«.)
    »Nein, ich werde wohl zuerst in London anrufen«, korrigierte sich Fandorin-Dono. »Die Sorge um Mademoiselle Eugénie ist meiner Konzentration auf den Fall im Wege. Ich werde dem Professor die Symptome der Verletzung beschreiben und ihn fragen, ob es wirklich vollkommen unmöglich ist, die Patientin aus dem Haus zu tragen. Vielleicht ginge es ja doch, wenn man sie auf ein schmales Brett legte und Arme und Beine fixierte? Doktor Lebrun ist natürlich eine Kapazität auf seinem Gebiet, aber wie die meisten französischen Leuchten neigt er meiner Ansicht nach ein wenig zu unnötiger Theatralik.«
    Ich dachte daran, wie hilflos und graziös Desu-San unter ihrer weißen Decke lag, und seufzte.
    »Dieses Mädchen ist wie ein herabgefallenes Sakurablatt. Was für ein trauriger und erhabener Anblick!«
    Bis jetzt hatten wir Russisch gesprochen, doch diesen Satz sagte ich in meiner Muttersprache, denn Schönes lässt sich am besten auf Japanisch ausdrücken.
    »Üpligens, das Mädchen«, antwortete mein Herr in seinem harten Akzent, der mit den Jahren leider immer schlimmer wird, »wir haben den Vater gehört, wir müssen auch sie beflaken. Und es wäre nist slekt, mit dem Doktor zu leden. Aber erst, wenn ich mit Plofessor Smiley gesproken habe.«
    Er ging zum Apparat und drehte die Kurbel zweimal, um mit der Zentrale verbunden zu werden. Ich stand daneben und hörte zu.
    Es meldete sich eine Männerstimme: »Allo! Qui est à l’ appareil? 5 «
    »Monsieur Bosquot?«, fragte Fandorin-Dono erstaunt und entschuldigte sich – ich erriet, dass er erklärte, er wolle eigentlich die Zentrale erreichen.
    Er versuchte es noch einmal, und wieder nahm der Verwalter ab.
    Beim dritten Mal dasselbe.
    Es folgte eine lange Erklärung zwischen dem Herrn und Bosquot, nach der Fandorin-Dono entmutigt sagte, nein, sprach: »Es sieht schlecht aus, Masa. Wir müssen auf den Plan verzichten. Die Verbindung nach außen ist unterbrochen, nur die interne funktioniert noch.«
    Er wirkte sehr niedergeschlagen. Um seinen Geist zu stärken, sagte ich: »Ein echter Samurai kann mit dem Gewehr umgehen, aber er bevorzugt das Schwert. Denn die alten Methoden sind ehrlicher und zuverlässiger. Herr, wir beide haben auch schon ohne Telefonverbindungen Verbrechen aufgeklärt.«
    Fandorin-Dono lachte.
    »Du hast recht. Bedienen wir uns also der bewährten Methoden. Beginnen wir mit der Befragung der Zeugen.«

    Wir verloren keine Zeit, gingen hinauf in den zweiten Stock und fanden den ersten Zeugen, Doktor Lebrun, im Diwanzimmer, vor dem Eingang zum Turm. Der ehrenwerte Arzt saß in einem Sessel und rauchte – zu diesem Zweck hatte er offenbar seinen Posten verlassen.
    »Ausgezeichnet«, flüsterte mein Herr. »Ich werde ein wenig mit ihm reden, danach versuchst du, ihn hier festzuhalten – je

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