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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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schon zum zweiten Mal.
    »Und jetzt fürchten Sie ihn?«
    »Ja«, gestand Colonel Star ohne Zögern. »Es ist noch so viel zu erledigen, da wär’s schade zu sterben.«
    Fandorin hatte noch eine Frage.
    »Sie haben die Formel ›Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit‹ irgendwie ironisch gebraucht. Sind Sie enttäuscht?«
    »O ja. Das ist eine große Illusion. Es gibt keine Freiheit, keine Gleichheit, keine Brüderlichkeit. Urteilen Sie selbst. Ein verantwortungsbewusster Mensch kann nicht frei von Pflichten sein, und verantwortungslose Menschen sind nichts wert. Richtig? Jetzt zur Brüderlichkeit. Wenn alle Menschen deine Brüder sind, ist keiner dein Bruder. Verwandte und geliebte Menschen gibt es nicht viele. Mit der Gleichheit funktioniert es auch nicht. Die Menschen sind nicht gleich, und der eine wird niemals den anderen ersetzen. Das ist ein wissenschaftliches Faktum. Und Gott sei gepriesen, dass es keine Gleichheit gibt. Es gibt starke und glückhafte Menschen, solche wie Sie und mich.« Der Colonel lächelte freundschaftlich. »Von denen wird ja auch mehr verlangt. Sie müssen mit vollem Einsatz arbeiten und den Schwachen helfen, doch ohne aus ihnen Schmarotzer zu machen, ohne sie durch Almosen vom Herrentisch zu erniedrigen.«
    »Und, gelingt Ihnen das? Mit Ihren Minen und Bergwerken?«
    Star überhörte den Sarkasmus. Nach einigem Überlegen nickte er.
    »Ich glaube schon. Für ›vernünftige Egoisten‹ ist Amerika ein fabelhaftes Land. Hier gibt es unendlich viel zu tun, nicht weniger als in Russland, aber die Behörden werfen einem Unternehmerkeine Knüppel zwischen die Beine. Besonders gut lässt sich’s bei uns im Westen arbeiten. Für einen starken und glückhaften Mann ist das der beste Platz auf der Welt. Schauen Sie, für mich arbeiten fünftausend Menschen. Bin ich ein Kapitalist? Ja. Ein Ausbeuter? Nein. Zwanzig Prozent des Profits verwende ich für die Erweiterung der Produktion, zehn für persönliche Bedürfnisse, das ist fair. Alles Übrige geht drauf für die Bezahlung der Arbeit und die Verbesserung der Lebensbedingungen meiner Arbeiter. Bei mir bekommt jeder nach seinen Verdiensten. Sie können also davon ausgehen, dass ich in meinen Betrieben das Grundprinzip des Sozialismus verwirklicht habe.«
    Der Colonel brach in Gelächter aus, seine Brillengläser funkelten schelmisch, und Fandorin korrigierte seinen ursprünglichen Eindruck: Dieser Mann ähnelte nicht »Uncle Sam«, sondern dem ergrauten Tschernyschewski – Spitzbart, Brille, spöttischer schmallippiger Mund.
    »Das ist mein Haus«, verkündete der Colonel und lenkte die Equipage in ein Tor, hinter dem, noch nicht vom Herbst gefärbt, dichtes Baumgrün prangte.
    Nach dem wundersamen Waggon hatte Fandorin etwas Grandioses erwartet, einen kolossalen Neureichen-Palast, aber das Haus des Magnaten war gar nicht groß.
    »Ich bin wie Peter der Erste«, sagte der Colonel auflachend, als er den verwunderten Blick seines Gastes sah. »In meinem Privatleben brauche ich keinen Luxus. Dies ist mein Monplaisier, wo ich mich wohl fühle.«
    »Sie mögen keinen Luxus? Und der Waggon?«
    »Der soll andere beeindrucken. Wenn ich mit dem in Washington, New York oder Chicago ankomme, ist gleich zu sehen, dass ein ernstzunehmender Mann eingetroffen ist. Warten Sie ab, Sie haben meine Kutsche noch nicht gesehen. Ich versichere Ihnen, das ist was. Die zeige ich Ihnen später. Jetzt erst mal herzlich willkommen.«
    Das Haus war bescheiden eingerichtet, doch klug gebaut und mit allen modernen Bequemlichkeiten ausgestattet. Elektrizität, Telephon und Telegraph erstaunten Fandorin nicht, aber im Bad war eine richtige Dusche mit heißem Wasser. Und das im Wilden Westen!
    Während er sich vom Kohlenstaub reinigte und dann frische Sachen anzog, hielt sich der Hausherr auch im Bad auf, sodass das Gespräch keinen Moment abbrach.
    »Sie werden schon bemerkt haben, dass ich mit der Zeit geize, darum möchte ich gleich zur Sache kommen«, sagte der Colonel und setzte sich auf einen Hocker neben dem Waschbecken. »Ich hoffe, Sie sind nicht prüde?«
    Und er berichtete Folgendes.
    Dreißig Meilen von der Hauptstadt des County entfernt, lag das Gebirgstal Dream Valley. Dort lebte schon seit einem Vierteljahrhundert eine russische Gemeinde. In den idealistischen sechziger Jahren war eine große Gruppe von Träumern beiderlei Geschlechts in die Neue Welt aufgebrochen, um ein irdisches Paradies zu errichten, entsprechend dem Vermächtnis Fouriers und

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