Das Halsband des Leoparden
jedenfalls waren alle Fenster heil.
Dafür schrien in dem Wagen alle, als wären sie schon durchlöchert und sollten nun den Rest bekommen.
Masa verstand die amerikanische Sprache nicht besonders gut, und die Leute in diesem Land redeten so, als hätten sie den Mund voller Batatenbrei, doch die Worte »Black Scarfs! Black Scarfs!« 1 erfasste er, da alle sie immerfort in sämtlichen Tonarten wiederholten .
Aha, sie meinten die Räuber mit den verhüllten Gesichtern.
Eine Frau, alt und hässlich, drehte sich nach dem nackten Masa um und zeterte: »Indians!«
Die dumme Gans konnte Indianer und Japaner nicht auseinanderhalten. Aber Fandorins Kammerdiener hatte jetzt andere Sorgen.
Er sah in der Hand eines Reisenden, der unter der Bank Deckung gesucht hatte, eine Winchester und wollte sie an sich nehmen. »Verzeihung, aber sie wird jetzt gebraucht.«
Der Besitzer hielt jedoch stur fest.
»Don’t! Please! They’ll kill us all!«
Bleiches Gesicht, zitternde Lippen. Masa musste ihm zweimal auf den Kopf klopfen, bis er losließ.
Das zweite Gewehr, eine Remington von gutem Kaliber, lag im Gepäcknetz, und dort war auch eine Patronentasche.
Masa, nunmehr bewaffnet, sprang hinaus auf die Kupplungsbühne und feuerte gleichzeitig mit beiden Waffen. Das war ein Fehler. Erstens traf er niemanden, und zweitens hätte ihn der Rückstoß fast hinausgeworfen.
Da legte er die schwere Remington hin, zwang sich, die zwitschernden Kugeln zu ignorieren, und zielte mit der Winchester. Er musste jetzt mit dem Waggon verschmelzen, sich als Teil des Zuges fühlen.
Er folgte mit dem Gewehrlauf dem Reiter wie bei der Entenjagd. Und zog sanft durch.
Es war ein sehr guter Schuss – das Pferd lief weiter, der Mann mit dem schwarzen Tuch aber stürzte ins Gras.
Interessant, auch die Remington auszuprobieren.
Der Zug ruckte, fuhr schneller. Die Reiter schienen auf der Stelle zu stehen und blieben dann allmählich zurück. So ließ sich gut zielen.
Peng!
Ein heftiger Rückstoß! Der Bandit aber stürzte mitsamt seinem Pferd. Mit Kaliber 50 war es ein wirksames Schießen.
Der Japaner nahm den Schimmelreiter aufs Korn. Aber in der Eile schoss er ihm nur den Hut vom Kopf.
Zu weiteren Schüssen kam er nicht.
Der hutlose Reiter riss am Zügel, sodass sein Schimmel sich aufbäumte, schrie etwas und fuchtelte mit der Hand, worauf die Übrigen ihre Pferde wendeten. Der Zug nahm schnelle Fahrt auf und ließ die Bande hinter sich.
»Teufel noch eins!« Der Heizer schüttelte sich, holte eine Flasche hervor und trank gierig. »Ich kann’s nicht glauben … Die sind weg!«
Der Lokführer lugte furchtsam über Fandorins Schulter hinweg nach draußen.
»Das K-Korn ist abgebrochen«, sagte Fandorin und gab ihm den Revolver zurück, verdrossen über seinen Fehlschuss. »Wer waren diese Leute?«
»Die Bande ›Schwarze Tücher‹. Letzten Monat haben sie den Kurierzug United Transcontinental ausgeraubt. Sie haben den Postmeister getötet und einen Sack voll Silbermünzen gestohlen. Über sie wird erzählt, dass sie nie ihre Gesichter zeigen. Nicht mal untereinander.«
In der Stimme des Eisenbahners schwangen Angst und Bewunderung mit.
»Dann sind sie bestimmt ganz j-jung. Machen sich interessant.« Fandorin zuckte die Achseln. »Immer mit dem Tuch im Gesicht, das muss doch mühsam sein.«
»Vielleicht sind sie jung, na und? Billy the Kid war erst zwanzig, als er schon zwanzig Menschen abgeknallt hatte. Der große Jesse James hat sein erstes Gemetzel mit knapp siebzehn veranstaltet.« Der Lokführer nahm dem Heizer die Flasche ab und trank auch. »Puh, was ist das für ein Dreckzeug! Die jungen Banditen sind am gefährlichsten. Sie haben kein Gehirn. Der Tod macht ihnen nichts aus. Was andern gehört, muss ihrs werden.«
»Darum geht’s nicht, Boss«, widersprach der Heizer. »Das ist wegen der Geschichte mit dem Photo. Die großen Räuber Sundance the Kid und Butch Cassidy haben sich mitsamt ihren Kumpanen zur Erinnerung in einem Photoatelier knipsen lassen, und mit dem Bild fahnden jetzt sämtliche Sheriffs und ›Pinks‹ des Staates Wyoming nach ihnen. Daraus haben die Businessmen von der Landstraße die Lehre gezogen: Zeig deine Visage nicht, das ist besser für dich.«
Der Schienenstrang machte einen Bogen um einen Hügel, und da war der kurze Zug im Ganzen zu sehen. Von der Plattform zwischen dem Salon- und dem Personenwagen schaute der nackte Masa herüber und winkte.
»E-Erstaunlich«, murmelte Fandorin.
»Dass wir noch
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