Das Halsband des Leoparden
man sie zur Vernunft bringen. Wenn nicht im Guten, dann eben mit Gewalt.«
Fandorin überlegte kurz.
»Wie stehen die Mormonen zu den Russen?«
»Schlecht. Genauer gesagt, es gibt keine Beziehung. Die Siedler halten die mormonischen Nachbarn für unwissende Dunkelmänner. Und für die Mormonen sind die Siedler Handlanger des Satans. Hinzu kommen ewige Zankereien um strittige Grundstücke.«
Der Fall erschien Fandorin so durchsichtig, dass er nur den Kopf schüttelte. »Rätsel«! Eine primitive Gleichung mit einer Unbekannten. Er wollte schon spotten: Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass jeder sich ein schwarzes Tuch vors Gesicht binden kann? Doch er stellte eine andere Frage: »Colonel, und was haben Sie für ein Interesse, sich in dieses Gezänk einzumischen? Sie sind doch ein vernünftiger Egoist und kein A-Altruist.«
Star räusperte sich verlegen.
»Ja, ich bin ein Egoist. Ich sorge mich um meine Ruhe. Der Vorsitzende Kusma Kusmitsch ist eine furchtbare Nervensäge. Was hat der mich schon gequält mit seinen Beschwerden! Helfen Sie mir, retten Sie mich, ich setze alle Hoffnung auf Sie. Auf seine Arthat er ja recht. Ich habe schließlich seinerzeit dieses Tal gefunden und ihnen geholfen, hier Fuß zu fassen. Also bin ich verantwortlich. Die Siedler sind ernsthaft verängstigt, wollen die Flucht ergreifen … Ach, hätte ich doch damals nicht auf diese Verrückten gehört! Ich hätte das Tal auf meinen Namen kaufen und sie hier leben lassen sollen. Jetzt ist es zu spät. Vor kurzem habe ich bei dem Besitzer Cork Callaghan vorgefühlt, aber der verdammte Ire verlangt eine irre Summe. Das ganze Land mitsamt dem Mormonenteil ist keine zehntausend wert, doch er fordert hunderttausend. Mein Gewissen mit hunderttausend Dollar beruhigen, Entschuldigung, das wäre unvernünftiger Egoismus. Für den Betrag könnte man sämtliche Bergtäler des Staates Wyoming kaufen. Wer braucht die schon? Jedoch die unglücklichen Narren in der Not im Stich lassen geht auch nicht. Ich will ihnen ein letztes Mal aus der Patsche helfen, Ehrenwort! Natürlich nur, wenn Sie sich des vertrackten Falls annehmen wollen. Wenn nicht, dann soll die von mir aus der Teufel holen. Dann sind sie erledigt. Ich mag nicht mehr.«
Er blickte Fandorin mit so schlecht gespielter Hartherzigkeit an, dass der lächeln musste. Der »vernünftige Egoist« war ihm sympathisch.
»Gut, ich versuche das zu klären. Allzu lange wird das nicht d-dauern.«
»Wirklich? Mein Lieber, mir fällt ein Stein vom Herzen.«
Colonel Star freute sich gewaltig und wurde hektisch, als fürchte er, der Detektiv könne es sich anders überlegen. Er eilte zu Fandorin, half ihm in den Gehrock und stieß ihn beinahe zur Tür.
»Dieser Scheck ist für Sie. Es ist, wie versprochen, die Entschädigung für Ihre Mühen. Dass Sie die Reise auf sich genommen haben. Und hier noch ein Scheck – Vorschuss und für Ihre Auslagen.« Er steckte ihn Fandorin in die Rocktasche. »Und wenn Sie den Fall abgeschlossen haben, rechnen wir endgültig ab, es wird Ihr Schaden nicht sein, darauf mein Wort. Sie müssen nach Splitstone, umPferde zu kaufen, anders kommen Sie nicht ins Dream Valley. Ich bleibe hier, habe viel zu tun, und was könnte ich Ihnen schon nutzen? Aber bis Splitstone werden Sie komfortabel fahren, ich leihe Ihnen meine Reisekutsche. Ein vorzügliches Transportmittel, Sie werden sehen! Kommen Sie, unterwegs erzähle ich Ihnen vom Besitzer des Tals …«
Als sie aus dem Tor traten, wartete dort schon die Kutsche. Fandorin hatte auf den ersten Blick den Eindruck, der zerstörte Salonwagen wäre auferstanden wie Phoenix aus der Asche. Das gleiche Goldemblem mit dem Stern, die lackglänzenden Flanken, die Kristalllaternen an den Ecken. Nur war das Gefährt etwas kleiner, und vorn befand sich keine Lokomotive, sondern vier Percherons waren vorgespannt. Dafür trug der Kutscher einen Zylinder und weiße Handschuhe.
»Da ist mein Schmuckstück«, erklärte der Colonel stolz. »Eine solche Kutsche finden Sie weltweit nicht zum zweiten Mal. Es ist eine Sonderanfertigung aus London. Man soll Sie in Splitstone respektvoll behandeln. Im Westen ist es wie überall: Der Mensch wird nach seiner Kleidung beurteilt. Die Leute dort sind händelsüchtig, Sie werden sehen … Und nun fahren Sie mit Gott, an den ich freilich nicht glaube. Helfen Sie unsern Landsleuten. Wer sollte das tun wenn nicht wir beide?«
Der Colonel drückte Fandorin kräftig die Hand. Dann lächelte er und sagte
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