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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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dann verscharrt. Der Kerl im Rollstuhl dürfte keine große Sache gewesen sein, und jedermann weiß doch, dass der andere nicht mal genug Verstand beisammen hatte, um ein Loch in den Schnee zu pinkeln.«
    Ganz gleich, was die Polizei sagte, Emma war davon überzeugt, dass die beiden noch lebten und schuldig waren, und sie würde erst wieder ruhen, wenn die beiden eingesperrt oder tot waren. Sie schrieb Willard, sie werde das kleine Mädchen aufziehen, so gut es gehe. Er hatte ihr hundert Dollar geschickt, um für ein anständiges Begräbnis zu sorgen. Er saß da und beobachtete seinen Sohn, und plötzlich hatte er den dringenden Wunsch zu beten. Er hatte schon seit Jahren nicht mehr mit Gott gesprochen, nicht ein einziger Wunsch und keine Lobpreisung, seit er im Krieg auf den gekreuzigten Marine gestoßen war, doch nun spürte er, wie der Drang in ihm aufstieg, sich mit seinem Schöpfer gut zu stellen, bevor seiner Familie etwas Schlimmes zustieß. Aber als er sich in der engen Wohnung umsah, wusste er, dass er hier nicht mit Gott in Kontakt treten konnte, genauso wenig wie in einer Kirche. Er brauchte einen Wald, um auf seine Weise beten zu können. »Wir müssen hier raus«, sagte er zu Charlotte und legte die Zeitung auf den Beistelltisch.
    Sie mieteten sich das Farmhaus am oberen Ende von Mitchell Flats für dreißig Dollar im Monat von Henry Delano Dunlap, einem untersetzten, weibisch wirkenden Anwalt mit glänzenden, makellosen Fingernägeln, der beim Meade Country Club wohnte und in seiner Freizeit Immobilien vermittelte. Charlotte war zwar zu Anfang dagegen gewesen, verliebte sich aber recht bald in das undichte, abgewohnte Haus. Es machte ihr noch nicht einmal etwas aus, sich das Wasser aus dem Brunnen zu pumpen. Nach ein paar Wochen sprach sie bereits davon, das Haus eines Tages zu kaufen. Ihr Vater war an Tuberkulose gestorben, ihre Mutter an einer Blutvergiftung, kurz nachdem Charlotte in die neunte Klasse gekommen war. Ihr ganzes Leben lang hatte sie in düsteren, kakerlakenverseuchten Wohnungen gehaust, die wochen- oder monatsweise vermietet worden waren. Die einzige noch lebende Angehörige war ihre Schwester Phyllis, doch Charlotte wusste nicht einmal, wo sie wohnte. Vor sechs Jahren war Phyllis eines Tages in den
Wooden Spoon
gekommen, sie hatte einen neuen Hut getragen und Charlotte die Schlüssel zu der Dreizimmerwohnung gegeben, die sie über der Reinigung in der Walnut Street geteilt hatten. »Also, Schwester«, sagte sie, »ich habe dich großgezogen, nun bin ich mal dran«, und damit ging sie zur Tür hinaus. Das Haus zu besitzen würde Charlotte endlich so etwas wie Stabilität im Leben geben, die sie mehr als alles andere suchte, vor allem jetzt, da sie Mutter war. »Arvin braucht einen Platz, den er sein Zuhause nennen kann«, sagte sie zu Willard. »Ich hatte so etwas nie.« Jeden Monat strampelten sie sich ab und legten dreißig Dollar für die Anzahlung beiseite. »Warte nur ab«, erklärte sie. »Eines Tages wird uns das Haus gehören.«
    Sie fanden allerdings bald heraus, dass es nicht so leicht war, mit dem Hausherrn über irgendetwas zu verhandeln. Willard hatte schon immer gehört, dass die meisten Anwälte unehrliche, hinterhältige Arschlöcher waren, doch Henry Dunlap stellte sich in dieser Hinsicht als Paradeexemplar heraus. Kaum stellte er fest, dass die Russells daran interessiert waren, das Haus zu kaufen, fing er an, Spielchen zu spielen, hob den Preis im einen Monat an, senkte ihn im nächsten, nur um seine Meinung wieder zu ändern und anzudeuten, dass er nicht sicher sei, ob er überhaupt verkaufen wolle. Und wann immer Willard in sein Büro kam, um die Miete zu zahlen, Geld, für das er sich im Schlachthof abgeschuftet hatte, machte sich der Anwalt einen Spaß daraus, ihm zu sagen, wofür genau er das Geld ausgeben würde. Aus irgendeinem Grunde verspürte er, der reich war, das Bedürfnis, dem ärmeren Willard klarzumachen, dass diese paar zusammengeknüllten Dollars ihm nichts bedeuteten. Er grinste Willard mit seinen leberfarbenen Lippen an und ließ sich darüber aus, dass man davon ja kaum ein paar schöne Stücke Fleisch für das Sonntagsessen bekäme oder den Freunden seines Sohnes im Tennisclub eine Runde Eis spendieren könne. Die Jahre vergingen, doch Dunlap wurde es nicht leid, seinen Mieter zu ärgern; jeden Monat gab es eine neue Beleidigung, einen weiteren Grund für Willard, dem fetten Kerl in den Arsch zu treten. Das Einzige, was ihn davon abhielt, war der

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