Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
durch die von toten Insekten verschmierte Windschutzscheibe. Sie befanden sich auf einer Schotterstraße. Die Frau ließ den Wagen nur noch langsam rollen und suchte offensichtlich nach einer Stelle zum Halten.
»Ich dachte, ihr Jungs glaubt an diesen Quatsch von der freien Liebe«, sagte der Mann. »Hat zumindest Walter Cronkite neulich in den Nachrichten gesagt.«
»Na ja, von irgendwas muss man ja leben, oder?« entgegnete Jamie.
»Stimmt schon. Wie wär’s mit zwanzig Piepen?« Die Frau stellte die Automatik auf Parken und schaltete den Motor aus. Sie standen am Rand eines Sojabohnenfeldes.
»Mann, für zwanzig Dollar nehme ich es mit euch beiden auf«, sagte Jamie und lächelte.
»Beide?« Der fette Kerl drehte sich um und sah ihn mit kalten grauen Augen an. »Findest mich hübsch, was?« Die Frau kicherte leise.
Jamie zuckte mit den Schultern. Er fragte sich, ob sie wohl noch lachen würden, wenn er mit ihrem Wagen davonfuhr. »Hab schon Schlimmeres gesehen«, sagte er.
»Oh, das bezweifle ich«, entgegnete der Mann und drückte seine Wagentür auf.
43.
»Hast du nur das eine Hemd eingepackt?« fragte Sandy. Sie waren seit sechs Tagen unterwegs und hatten mit zwei Models gearbeitet, dem Jungen mit den vielen Haaren und einem Mann mit einer Mundharmonika, der nach Nashville wollte, um Country-Star zu werden. Aber nur, bis sie hörten, wie er Johnny Cashs »Ring of Fire« komplett zugrunde richtete, Carls Lieblingssong in diesem Sommer.
»Ja«, antwortete Carl.
»Also gut, dann werden wir ein wenig Wäsche waschen müssen«, erklärte sie.
»Warum?«
»Weil du stinkst, darum.«
Ein paar Stunden später kamen sie in einer Kleinstadt in South Carolina an einem Waschsalon vorbei. Sandy ließ Carl das Hemd ausziehen. Sie trug einen Einkaufsbeutel voll dreckiger Wäsche hinein und stopfte sie in eine Waschmaschine. Carl setzte sich auf eine Bank vor der Tür, schaute den Autos nach, die gelegentlich vorbeifuhren, und kaute auf einer Zigarre herum; seine labbrigen Männerbrüste hingen ihm fast bis auf die fischige weiße Wampe. Sandy kam heraus, setzte sich ans andere Ende der Bank und versteckte sich hinter ihrer Sonnenbrille. Die Bluse klebte ihr am Rücken. Sie lehnte den Kopf an das Gebäude und schloss die Augen.
»Was wir getan haben, war das Beste, was ihm zustoßen konnte«, sagte Carl.
Himmel, dachte Sandy, er quatscht immer noch von diesem Arschloch mit der Mundorgel. Das ging schon den ganzen Morgen so. »Ich hab’s kapiert«, sagte sie.
»Ich meine nur, zum einen konnte er nicht für fünf Pennys singen. Zum anderen hatte er – was? – vielleicht noch drei verdammte Zähne im Gesicht? Hast du dir schon mal Country-Stars angeschaut? Die haben teure Zähne. Nein, die hätten ihn lachend wieder aus der Stadt gejagt, und dann wäre er nach Hause gegangen, hätte irgendeine alte Kuh geschwängert, wäre mit ’nem Haufen Wanzen angebunden gewesen, und das wär das Ende gewesen.«
»Das Ende von was?« fragte Sandy.
»Das Ende seiner Träume. Das hat er gestern Abend vielleicht so nicht erkannt, aber ich habe dem Kerl einen Riesengefallen getan. Er starb, als er den Traum noch lebendig im Kopf hatte.«
»Carl, was zum Teufel ist bloß in dich gefahren?« Sie hörte, wie die Waschmaschine ausging, stand auf und streckte die Hand aus. »Gib mir mal einen Vierteldollar für den Trockner.«
Carl gab ihr etwas Kleingeld, dann beugte er sich vor, machte seine Schuhe auf und schleuderte sie von den Füßen. Er trug keine Socken, nur die Hose hatte er noch an. Er zog sein Taschenmesser heraus und putzte sich die Zehennägel. Zwei Jungen, vielleicht neun oder zehn Jahre alt, kamen auf ihren Fahrrädern um die Ecke geschossen, als er gerade einen braunen Batzen an die Bank schmierte. Die beiden winkten und lächelten, als er aufblickte. Eine kurze Sekunde lang, während sie vorbeiflogen, strampelnd und lachend, als hätten sie keinerlei Sorgen, wünschte er sich, jemand anderes zu sein.
44.
Am zwölften Tag entkam ihnen einer. Das war noch nie passiert. Es handelte sich um einen ehemaligen Häftling namens Danny Murdock, das vierte Model auf dieser Reise. Auf dem rechten Unterarm trug er eine Tätowierung von zwei schuppigen Schlangen, die sich um einen Grabstein ringelten, und Carl hatte sich schon ausgemalt, was er damit Besonderes anstellen würde, wenn sie ihn erst zur Strecke gebracht hatten. Sie waren den ganzen Nachmittag herumgefahren, hatten Bier getrunken und eine Riesentüte
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