Das Handwerk des Toetens
hinter ihren Sonnenbrillen versteckenden Damen und hilflos um sie herumstehenden Herren, die zu ihrer Deplaziertheit auch noch eine Art weißer Kapitänsmützen trugen, nicht anders als eine vor Kameraleuten angetretene Musikkompanie irgendwo in Galizien, eine in weite Gewänder gehüllte, einsame Gestalt in der tripolitanischen Wüste wie der stramm salutierende Wachsoldat am Ufer des Gardasees. Abgebildet war nur eine einzige Aufnahme, die fünf auf den Beobachter zukommende, weißgekleidete Frauen mit schwarzen Schleiern zeigte, und wenn man den Titel darunter las, Korso der Türkinnen in Mostar, Jugoslawien 1929 , mußte sein Kommentar dazu paradox erscheinen, die Bemerkung, es sei eine ihrer lebendigsten Szenen, hätte nicht die Starrheit vieler ihrer anderen Versuche, in denen die Personen oft Untoten glichen, Wachsfiguren in einer auch in der Hitze wie eisstarren Landschaft.
Das habe ich ihm aber nicht gesagt. Ich fürchte, es sind Gemeinplätze gewesen, mit denen ich versuchte, mich aus der Affäre zu ziehen, und ich bin froh, keine Erinnerung mehr an sie zu haben. Es reicht mir zu wissen, daß er sich nicht daran stieß und am Ende selbst nichts dagegen hatte, als ich ihn von einem Augenblick auf den anderen fragte, wie es Helena ging, so prompt kam seine Antwort.
»Sie scheint guter Dinge zu sein.«
Er sagte es, als wollte er mich dazu bringen, mir Gedanken darüber zu machen, ob das stimmte, oder ihm vielleicht überhaupt nicht zu trauen.
»Ich beneide dich um alles, was sie dir erzählt hat«, fuhr er fort. »Mir gegenüber gibt sie sich so verschlossen, daß ich mich zurückhalten muß, dich nicht nach ihr auszufragen.«
Es war mir nicht klar, ob er es ernst meinte, aber ich beeilte mich, ihn zu beruhigen, während er sich mit der Antwort dann Zeit ließ.
»Sie hat von deinem Blick gesprochen.«
Ich mußte mich bemühen, ihm nicht einfach nachzuplappern.
»Was ist damit?«
»Du sollst sie ganz anders ansehen als ich«, erwiderte er. »Sie hat das Gefühl, du gibst ihr einen Rahmen, während sie bei mir nach allen Seiten zerfließt.«
So geheimnisvoll das klang, er weigerte sich, näher zu erklären, was er damit meinte, und als ich das nächste Mal mit ihm zusammen war, schien er nicht im geringsten interessiert daran zu sein, von ihr zu sprechen, gab er sich weniger aufgekratzt als noch bei unserem ersten Wiedersehen, trat auf einmal wieder unsicher auf, fehl am Platz, und muß sich dessen auch bewußt gewesen sein. Er hatte das Geplänkel über sie gebraucht, um zu wissen, woran er war, und erwähnte sie nicht weiter, außer am Anfang, als er mir Grüße ausrichtete und dabei, ob absichtlich oder nicht, steif wirkte wie ein nach Strich und Faden Gehörnter, der sich über seine Frau ausließ. Bis er wieder seine Anspielungen machte, dauerte es jedoch, seine Scherze, daß ich ein Auge auf sie geworfen hätte, und ich merkte erst, wie sehr ihn die Sache beschäftigte, als er eines Tages halb angetrunken herausplatzte, es wäre für ihn noch annehmbar gewesen, wenn ich mit ihr geschlafen hätte, solange ich ihm nur ihre Geschichten ließ, nicht auch noch darin herumpfuschte und sie gegen ihn aufbrachte, bis sie ihn nicht mehr damit versorgte.
Da hatte er sich schon bemüht, mit möglichst vielen Leuten Kontakt aufzunehmen, die Allmayer gekannt hatten, um von ihnen mehr über ihn zu erfahren. Angefangen mit seiner eigenen Frau, die außer sich geraten war ob der Bitte, ihm alles über ihn zu erzählen, woran sie sich erinnern konnte, und immer wieder gefragt hatte, ob er nicht endlich erwachsen werden wollte und aufhören, irgendwelchen Hirngespinsten hinterherzurennen, die nichts, aber auch gar nichts mit ihm zu tun hätten, war dabei eine Reihe von Fehlschlägen herausgekommen. Ob es sich um die Witwe in Zagreb handelte, die Zimmervermieterin in der Nähe des Bahnhofs, die vor Jahren schon verstorben war, oder um Schreyvogel, den obskuren Journalisten mit seinen deutsch-jugoslawischen Eltern, dessen Adresse er zwar aufgetrieben hatte, der zu der Zeit jedoch gerade von den Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof berichtete und angeblich keine Zeit hatte, es schien immer auf das gleiche hinauszulaufen, und als er schließlich mit dem Photographen, der bei dem Unglück im Kosovo selbst angeschossen worden war, immerhin sprach, kam er nicht zu Wort und mußte sich anhören, wie ekelhaft es war, so etwas auszuschlachten, eine ganze Tirade über die Scheußlichkeit und Obszönität von
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