Das Handwerk des Toetens
mich, wie sie reglos neben ihr auf einem ausgebauten Autositz in der Spätnachmittagssonne gesessen war, mitten unter den im Hof herumpickenden Hühnern, das Gesicht braungebrannt und zerknittert, eine wie mit der Landschaft verschmelzende Erscheinung, vor der Pauls Fragen abprallen mußten, auf die sie ein ums andere Mal mit der gleichen Antwort reagierte, als steckte dahinter eine Erkenntnis, für die sie Jahre gebraucht hatte.
»Es ist gut, daß der Krieg ein Ende hat.«
Zumindest war das Helenas Übersetzung, und ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht nur ihren Schabernack mit ihm trieb, wenn es ihr das größte Vergnügen bereitete, sie ihm regelrecht an den Kopf zu werfen.
»Sie versteht nicht, was du von ihr willst«, sagte sie schließlich, als wollte sie das leidige Gespräch beenden. »Du kannst sie noch so lange bedrängen und wirst nichts anderes von ihr zu hören bekommen.«
Das war auch mit ein Grund dafür, daß mich das Gefühl packte, ganz und gar aus der Zeit herausgefallen zu sein, als wir schweigend über die ein Stück hinter dem Haus gelegenen Felder spazierten und jeder Schritt auf dem rissigen Boden mehr Gewicht hatte, als mir lieb war, an dem unvermeidlichen verdorrten Mais, an den Feigen, an den paar Mandelbäumen und dem bißchen Wein vorbei. Auf einmal schien nur noch der Raum zu existieren, eine Weite bis zu dem wie über der Ebene schwebenden Gebirge am Horizont, und ob ich es wollte oder nicht, unser Gang kam mir wie eine Landnahme vor. Es war, als könnte jede Bewegung nur auf Stillstand abzielen, und während ich auf das hohle Schmatzen der aus einem Futtertrog Brotreste fressenden Schafe horchte, ein verzweifeltes Schaben und Scharren eher, hatte ich lauter Standbilder im Kopf, den untätig in seiner Wiese stehenden Nachbarn, die im aufkommenden Wind scheinbar unbeweglichen Grashalme, den über allem liegenden Staub, und wie Helenas Großmutter in der Dämmerung am offenen Küchenfenster gelehnt war und wie erstarrt auf das in der Ferne immer wieder einsetzende und nach einer Weile verstummende Heulen gelauscht hatte, um endlich ein einziges Wort dazu zu sagen.
»Schakale.«
Erst tags darauf in Split konnte ich wieder durchatmen, und auf einmal war mir auch die überdrehte Begeisterung für die Stadt klar, die Allmayer vor allem bei seinen amerikanischen Kollegen immer belustigt hatte. Zwei oder drei Tage im Hinterland oder gar in Bosnien, und sein Urteil erschien mir hart, wenn sie für ihn dann wie die Traumtänzer die Riva mit ihrer doppelten Palmenreihe auf- und abflaniert waren und buchstäblich den Verstand verloren hatten, weil sie die einheimischen Mädchen für Göttinnen hielten und vom Paradies sprachen oder sich nicht ganz so phantasievoll an Kalifornien oder Florida erinnert fühlten. Ohne damit gleich einer von ihnen zu sein, schaute ich wie neugeboren auf das Wasser hinaus und hielt seinen Bannfluch für übertrieben, seine mißmutige Bemerkung, es sei auch nicht mehr als ein verkommener Etappenort, in dem sich Soldaten mit leichten Damen vergnügten, wie er einmal geschrieben hatte, um später, als der Krieg vorbei war, ein totes Nest daraus zu machen, das sich auch noch etwas darauf einbildete, Fußballer und Schönheitsköniginnen in die halbe Welt zu exportieren.
Weil Helena sich dafür zu müde fühlte, hatte ich mich von Paul überreden lassen, mit ihm nach Brač zu fahren, wo er einen österreichischen Schriftsteller besuchen wollte, der mit einer Kroatin verheiratet war und den Sommer über auf der Insel lebte, und wir befanden uns bereits auf der Fähre, als er sich näher über ihn ausließ. Für mich war es ein Ausflug, ich schaute zurück auf die im Dunst halb versunkene Stadt, in der es immer noch nach den Bränden der vergangenen Tage roch, und vielleicht hörte ich ihm deshalb zu wenig zu und wunderte mich nicht, warum er sich überhaupt mit ihm verabredet hatte, wenn er ihn für den Scharlatan hielt, als den er ihn hinstellte. Er saß neben mir auf einer Bank auf dem Oberdeck und sagte von ihm, daß er für seinen demonstrativen Besuch bei der Führung in Pale und die unhaltbaren Positionen in seinen Artikeln zum Krieg bekannt gewesen war, ideologische Verranntheiten, die ihn nach dem Fall von Vukovar die Angreifer verteidigen lassen hatten, um nur ein Beispiel zu erwähnen, seine Verblendung, daß sich alles genauso wiederholen müßte wie vor fünfzig Jahren, weil er dann mit seinen ewigen Warnungen davor recht gehabt hätte.
Ich hatte noch
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