Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
wie seinen Argwohn ob dieses unerwarteten Besuchs hinter einem Lächeln. »Seid willkommen.«
Der Herzog von Schwaben kam auf die Füße. »Ich weiß nicht so recht, wie ich es sagen soll, mein König«, bekannte er. »Aber es ist bitter, einen Bruder zu verlieren, ganz gleich, ob er Freund oder Feind war. Ich hoffe, Ihr versteht es nicht als Provokation, wenn ich Euch mein Mitgefühl ausspreche.«
Das kam unerwartet. Niemand außer Editha war bislang auf den Gedanken gekommen – oder hatte gewagt –, ihm seine Anteilnahme auszudrücken. »Ich bin Euch dankbar, Hermann. Ihr habt recht. Es ist bitter.«
»Hermann hat seine Tochter mitgebracht, die kleine Ida.« Editha wies auf das rothaarige, sommersprossige Kind, das trotz des feinen blauen Kleides mit Liudolf um einen Lederball rangelte.
»Liudolf, nicht so wild!«, mahnte die Königin. »Vergiss nicht, Ida ist unser Gast und eine Dame.«
Ihr Sohn schenkte ihr keinerlei Beachtung, sondern stieß die kleine Dame rüde mit der Schulter beiseite und eroberte den Ball, den er genau so lange behielt, bis seine Schwester ihm ein Bein stellte und er bäuchlings im Gras landete.
»Oh, keine Bange, Ida liebt raue Spiele«, beruhigte Hermann die Königin.
»Dann ist sie bei Liudolf und Liudgard genau richtig«, bemerkte Otto trocken.
Der Herzog von Schwaben betrachtete seine Tochter mit einem Blick, den man kaum anders als hingerissen nennen konnte. Dann zuckte er die Schultern und sagte: »Sie ist erst sieben Jahre alt, aber sie weiß, was es bedeutet, dass ich keinen Sohn habe. Ich fürchte, sie hält es für ihren persönlichen Makel. Und darum versucht sie, mir ein Sohn zu sein.«
»Heiratet wieder«, riet Otto. »Zeit genug für ein Dutzend Söhne.«
Hermann wiegte den Kopf hin und her. »Wir werden sehen.« Man konnte hören, dass es ›nein‹ hieß. »Mir wäre schon mit einem Schwiegersohn gedient.«
Otto und Editha tauschten einen Blick. Dann schlug die Königin vor: »Warum setzt ihr euch nicht dort drüben auf die Bank? Da seid ihr ungestört. Ich schicke euch einen Krug Wein und habe ein Auge auf die Kinder.«
Otto führte seinen Besucher zu der steinernen Bank, die auf der kleinen Rasenfläche im Innern des Kreuzgangs stand, nahm Platz und lud den Herzog mit einer Geste ein, seinem Beispiel zu folgen. »Erlaubt mir ein offenes Wort, Hermann.«
»Ihr seid der König und könnt sagen, was immer Ihr wollt«, gab der grinsend zurück.
Otto nickte. »Ihr kommt in diesen schwierigen Zeiten zu mir und schlagt eine Verlobung zwischen meinem Sohn und Eurer Tochter vor, um ein Bündnis für die Zukunft zu schmieden und der Welt zu zeigen, dass Ihr unverrückbar an der Seite Eures Königs steht. Das weiß ich zu schätzen. Aber Eberhard von Franken ist Euer Vetter. Eure Väter waren Brüder. Also wieso seid Ihr hier und nicht bei ihm?«
Hermann wandte sich ihm zu, sodass sie einander ins Gesicht sehen konnten. »Ihr habt nichts vom Tod meines Neffen gehört?«
»Euer Neffe?«
Der Herzog nickte bekümmert. »Gebhard, der Sohn meines Bruders Udo. Gebhard war Prinz Hennings Waffenmeister in Belecke. Er fiel, als Eberhard und Thankmar die Festung stürmten. Er war ein großartiger Junge … Womöglich war er der Grund, warum es mich nie sonderlich bekümmert hat, keinen Sohn zu haben. Aber nun ist Gebhard tot, mein König. Und die Schuld trägt nicht zuletzt mein Vetter Eberhard von Franken.«
Nur hätte Thankmar Belecke nicht angegriffen, hätte Henning ihm nicht wieder und wieder Anlass gegeben, ihm zu grollen, dachte der König. Wenn man genau hinschaute, trug Henning die Schuld an Gebhards Tod. Weil er zu ewiger Zwietracht verflucht ist … »Es tut mir leid, Hermann.«
Der Herzog nickte.
»Wie es scheint, ist meine Familie nicht die einzige, die von einem tiefen Graben gespalten ist«, fügte der König hinzu.
»Es ist nicht mein erstes Zerwürfnis mit Eberhard«, sagte Hermann. »Nur dieses Mal … Ich bin nicht sicher, ob ich ihm den Tod des Jungen je vergeben kann. Aber im Grunde sollte all das in unserer Unterhaltung gar keine Rolle spielen, oder? Ihr seid mein König. Ich bin Euer Reichsherzog und Gefolgsmann. Eigentlich bin ich hier, um Euch zu versichern, dass sich daran nichts geändert hat.«
Otto sah ihm in die Augen, die so groß und blau und unschuldig wirkten, dass man vielleicht dazu neigte, die Entschlossenheit dieses Mannes zu unterschätzen. »Und was, wenn ich Eberhard aufhängen ließe, wie die Königinmutter mir
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