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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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du nicht weiter unter unserer Auseinan d ersetzung zu leiden hast, Adrian. Aber du musst auch verstehen, dass ich unter diesen Umständen überlege, ob Jonathan und ich weiter zusammen…«
    »Daddo!« Ich schrie ihn an. Wie konnte er nur so verbohrt sein!
    Endlich sah er mich an. Seine Augen waren rot. Wenn ich Toby nicht besser kennen würde, hätte ich gesagt, er hatte geweint. »Ja?«, fragte er.
    Ich setzte mich neben ihn auf die Couch. Jonathan stand schweigend an der Tür. Er hatte den Kopf gesenkt und betrachtete seine Hände. Er wusste genauso gut wie ich, wie stur Toby sein konnte. Wenn mein Vater sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es außerordentlich schwer, ihn davon wieder abzubringen.
    »Toby«, sagte ich leise und eindringlich. »Ich lüge dich nicht an. Ich schwöre es dir bei dem Ding in meinem Kopf. Ich lüge nicht!«
    Sein Blick bohrte sich in meine Augen und schien mich wie mit Röntgenstrahlen durchleuchten zu wollen. Ich schlug die Augen nicht nieder. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, dann atmete er tief ein und fragte: »Milton Skegg?«
    Ich nickte. Wagte noch nicht zu hoffen.
    Er starrte mich weiter an. »Zeig mir das Zeug.«
    »Welches ... oh.« Ich griff mir in die Haare. »Oh, Mann, Daddo, ich hab das alles bei Ms Vandenbourgh gelassen.«
    Er sah mich noch eine Sekunde länger an, dann wandte er das Gesicht ab und blickte wieder zum Fenster hinaus. »Ich wäre jetzt gerne allein«, sagte er mit einer Stimme, die so leblos klang wie die des Bestattungsunternehmers.
    I ch wechselte einen Blick mit Jonathan, der die Schultern zuckte. »Es ist gut«, sagte er leise. »Lass uns bitte allein.«
    Ich stand auf, ballte die Fäuste. »Nein«, sagte ich laut und wütend. »Ich habe es vermasselt. Ich habe die Flaschen geklaut und Wasser eingefüllt und fand mich auch noch total cool und gerissen. Der Roshi hat mich gewarnt ...« Ich verschluckte den Rest des Satzes. Jetzt hatte ich es getan. Jetzt hatte ich vor meinem Vater und Jonathan zugegeben, dass ich diese Wesen immer noch sah. Dass ich halluzinierte. »Ach, heilige Scheiße«, rief ich.
    Jonathans Blick war voller Mitleid, ich konnte ihn kaum ertragen. Und jetzt sah mich auch noch Toby an, und ich konnte sehen, was er dachte. Sein Sohn, der Freak. Sein Sohn, der Todeskandidat. Armer Adrian. Armer kranker Junge. Ich hätte kotzen können.
    Ich drängte mich an Jonathan vorbei, der mich festhalten wollte. »Ary«, sagte er leise und hilflos, aber ich wollte nicht, dass er mich zu trösten versuchte. Dass er irgendetwas zu mir sagte.
    Toby rief: »Lass ihn«, und setzte dann hinzu: »Komm her, Jonathan, ich möchte mit dir reden!«

23
    Ich fand mich im Garten wieder. Der Wind ließ die Blätter der Magnolie rauschen. Die Amsel war verstummt. Durch das Laub blitzten die ersten Sterne. Die Luft war weich wie Katzenfell. Ich saß eine Weile auf dem Hackklotz, bis mein Atem wieder ruhig ging. Wie ein ruckelnder Stummfilm liefen die Szenen vor meinem inneren Auge ab: Toby, der in blinder Wut auf Jonathan einschlug. Jonty, der den Ausbruch über sich ergehen ließ. Der hoffnungslose, tieftraurige Gesichtsausdruck meines Vaters und Jonathans resigniertes Erdulden. Der Joker, der lachte und geiferte und sich an der Szene ergötzte, der mich zwang, Dinge zu sehen, vor denen ich lieber die Augen verschlossen hätte, der mir die toten Männer im Garten vorführte und sich an meinem Schock und meinem Ekel, meiner Angst und meiner Hilflosigkeit ergötzte wie an einem Festmahl. Warum tat er das?
    Leise Schritte raschelten durch das Gras. Dann schwang sich der Roshi neben mir auf den Holzstapel und sah mich schweigend an.
    »Erspar es mir«, sagte ich.
    Er hob die Schultern. »Ich habe nichts gesagt.«
    »Aber du wolltest es.« Ich stützte das Kinn in die Hand. »Warum tut der Joker das alles? Was hat er davon?«
    D er Roshi kämmte mit den Fingern durch seinen strähnigen Bart. Ich erwartete, dass er eine seiner blumigen Weisheiten von sich geben würde oder mir erklären, dass der Joker eben böse sei, wie so viele Wesenheiten zwischen Himmel und Erde, aber er überraschte mich. »Er will dir etwas sagen, und er kennt nur diese Methode, es zu tun.«
    »Er will was?« Ich schnappte nach Luft und lachte. »Roshi, hast du irgendwas geraucht?«
    Der alte Mann kicherte. »Schon lange nicht mehr«, sagte er und es klang beinahe sehnsüchtig. »Wenn man so alt ist wie ich, Êdorian, dann achtet man auf seine Gesundheit und das, was man seinem Körper und

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