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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ihren Rat hören, wenn er seine Gesundheit und sein Leben, sein Kind, seine Gefolgsleute und die Dorfbewohner vor weiterer Unbill schützen wolle.
    Nun war bereits solches Unheil über das Haus und seine Bewohner niedergebrochen, dass Heathcote Vandenbourgh nicht mehr wie noch zuvor über die Warnungen lachte und die Boten zum Teufel jagte. Er bat darum, sich über all dies Gedanken machen zu dürfen, und schickte die Dorfältesten und den Priester dann mit freundlichen Worten fort. Eine Nacht lang wälzte er sich schlaflos auf seinem Lager, und als der Morgen anbrach, stand sein Entschluss fest: Er würde das Haus niederbrennen, wie es ihm geraten worden war.«
    »Und dann ist etwas schiefgegangen«, murmelte ich. Nova kniff mich in die Seite.
    »Er machte sich also bereit, um ins Dorf zu reiten und um Hilfe zu bitten, denn natürlich war ihm nichts daran gelegen, seinen gesamten Hausstand den Flammen zu überantworten. Er wollte das Haus säuberlich ausgeräumt wissen, ehe er es in Brand setzte.
    Sein Pferd stand gesattelt bereit, da kündigte ein Diener Besuch an. Der Hausherr, im Glauben, es handele sich um den Priester oder einen der Dorfältesten, die ihm erneut ins Gewissen reden wollten, ließ bitten und begrüßte wenig später voller Erstaunen einen Mann, den er nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte. Der Mann war groß und dunkel, er trug einen langen Mantel und ein Schwert und einen breiten Hut, den er tief in d ie Stirn gezogen hatte. Er stellte sich vor als Cenn Crúach, und er bot dem begierig lauschenden Hausherrn ein Geschäft an, das ihn und seine Sippe für alle Zeit von ihren Nöten und Sorgen befreien sollte. Niemals wieder würde dem Hause Vandenbourgh Böses widerfahren. Nicht Krankheit und nicht vorzeitiger Tod, keine Missernte und kein Krieg, weder Armut noch andere Not sollten jemals wieder eines der Mitglieder seiner Familie bedrücken, solange sein Haus auf diesem Platz stünde und unter Cenn Crúachs persönlichem Schutz.«
    »Der Preis dafür?«, fragte ich gebannt.
    »Der Preis dafür‹, fragte Heathcote Vandenbourgh.
    Cenn Crúach lachte ein grollendes, steiniges Lachen. ›Leicht zu bezahlen, von geringem Wert für dein Geschlecht‹, erwiderte der dunkle Gast. ›Einmal in jeder Generation wird zu Samhain eine Tochter das Licht erblicken, die mir gehören soll. Die Novemberbraut wird mir an ihrem sechzehnten Geburtstag angetraut. Sie sei das Pfand für euer Glück, Herr von Heathcote Manor.‹«
    Nova gab einen erstickten Laut von sich. Ich spürte, wie sich die Muskeln in ihrem Arm und ihren Schultern anspannten. Ihre Großmutter sah sie voller Mitgefühl an. Ich konnte mich nicht rühren, nichts sagen, nichts tun.
    »Novemberbraut«, sagte Nova. Ihre Stimme klang brüchig. »Was bedeutet das?« Sie umklammerte meine Hand so fest, dass es wehtat. »Das ist doch nur eine alte Geschichte, oder?« Ihre Stimme flehte um eine Antwort, die die alte Frau ihr liebend gerne g egeben hätte, ich konnte es an ihrem Blick sehen. Sie schüttelte aber nur sacht den Kopf und Nova holte tief und zitternd Luft.
    »Er hat den Kerl doch hoffentlich hochkant rausgeschmissen«, rief ich laut, um die Stille zu zerstören, den bösen Zauber zu brechen, der auf uns zu lasten schien. Ich sah November vor mir, wie sie in dem finsteren Gewölbe auf Menschenknochen stand und ihre Mondaugen mich voller Angst anblickten.
    »Ja«, sagte die alte Frau traurig und erzählte weiter. »Ja, Heathcote Vandenbourgh hat den Fremden aus seiner Halle gewiesen. Aber der Keim war gesät und die Pflanze wuchs in seiner Seele zu einem kräftigen Schössling heran. Kaum hatte Cenn Crúach das Haus verlassen – er war nicht erzürnt, sondern sagte nur, er werde noch ein einziges Mal wiederkommen und sein Angebot wiederholen –, kaum war der Fremde fort, hieß der Hausherr seine Diener, das Pferd zurück in den Stall zu bringen. Und dann wanderte er durch sein Haus, dessen Mauern so fest und wohlgefügt waren und dessen Dach so schützend über ihn und seinen Haushalt gebreitet war – und er stellte sich vor, wie die Flammen es fraßen und er selbst sich davonschleichen und an einem minder prächtigen Ort ein Haus errichten würde, das ewig nur eine Kopie dieses ersten sein würde. Und mit dem Haus würde alles andere verbrennen: die Spuren, die seine geliebte Frau in der kurzen Zeit in diesen Räumen hinterlassen hatte, der Duft ihres Haars, den er noch immer zu riechen glaubte, wenn er ihr Zimmer betrat ...«
    »Dieser

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