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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Glück hat mich Ben noch vor Mitternacht ins Hotel und auch ins Bett, ALLEIN, gebracht, und am Morgen bin ich rechtzeitig für die erste Audition wach geworden, und mir ging es gut.
    Jetzt aber wünschte ich, ich wäre doch nicht rechtzeitig wach geworden und hätte die Auditions verschlafen. Es war so schrecklich. In Melbourne kenne ich alle Tänzer und Sänger, und die Leute kennen mich, besonders jetzt, durch das Fernsehen. Manchmal sprechen mich die Leute, die für eine Show casten, schon mit Namen an, bevor ich mich überhaupt vorstellen kann. Hier nicht. Ich habe nicht mal eine MINUTE bekommen, um mich zu beweisen. Ich hatte ACHT Sekunden, um mich vorzustellen und zu sagen, welche Erfahrungen ich habe, und dann hat eine von denen gesagt: »Sie sind Australierin?«, in einem Tonfall, als hätte sie: »Sie sind Terroristin?« gefragt. Ich habe meinen Audition-Song gesungen, Memories , das ist echt meine Nummer. Die Kritik im College-Magazin hat meine Performance »in ihrer emotionalen Bandbreite und Reife ausgesprochen packend« genannt. Aber die hier haben mich nach zehn Sekunden unterbrochen und gesagt, ich käme für die Rolle nicht infrage, danke und tschüss. Und als ich gefragt habe: »Soll ich denn nichts vortanzen?«, hat es nur geheißen: »Das ist alles, danke. Du bist nicht der Typ, den wir suchen.«
    Ich habe es, ohne zu weinen, bis zur Tür geschafft, und, klar, das ist nur der Jetlag, und natürlich werden die das bereuen, und ich muss mich halt erst mal an die Art der Auditions hier gewöhnen, doch die hätten wirklich ein bisschen netter sein können. Am schlimmsten war, dass ich hinterher niemanden anrufen konnte. Normalerweise kommen Mum oder Dad mit zu den Auditions, wenn in Melbourne überhaupt mal welche stattfinden – die Brutstätte des Musicals ist Melbourne ja nicht gerade –, aber durch den Zeitunterschied konnte ich nicht anrufen, und Bens Nummer hatte ich auch nicht, und Ben ist der einzige Mensch, den ich in London wirklich kenne. Von Ella abgesehen, klar, aber sie kann ich natürlich nicht anrufen.
    Jedenfalls, danach wurde es erst richtig schlimm. Ich hätte schon oben erwähnen sollen, dass ich es zu den beiden anderen Auditions gar nicht mehr geschafft habe. Ich war schon auf dem Weg, da habe ich gemerkt, dass ich mein Telefon bei der ersten Audition vergessen hatte, und mein Handy ist meine Verbindung zur Welt und außerdem eines der neuesten Generation. Das Risiko, dass es sich jemand schnappt, war also groß, und so musste ich ZURÜCK zu dem Studio, und die haben sich da immer noch Leute angesehen, und die Mädchen sind alle lächelnd rausgekommen und haben Freunde und Familie angerufen, und ich musste warten, bis der Saal leer war und ich reingehen konnte, und Gott sei Dank war mein Handy noch da. »Du hast aber echt Glück«, hat dann noch eine Assistentin gesagt. Oh ja, riesiges Glück, habe ich bei mir gedacht, aber natürlich nicht gesagt. Ich habe mein strahlendes Lächeln aufgesetzt und zu den Casting-Direktoren, die noch immer an ihrem Tisch gesessen haben, »Wir sehen uns hoffentlich wieder« gesagt. Doch als ich mich an der Tür noch mal umgedreht habe, haben sie mir nicht mal NACHGESCHAUT. Ich habe null Eindruck gemacht.
    Zu dem Zeitpunkt war es dann zu spät für die zweite Audition, und die Adresse für die dritte hatte ich vergessen. Ich hatte mir alles aufgeschrieben, den Zettel aber im Hotel vergessen. An die Tube-Station konnte ich mich noch erinnern, Goodge Street, also bin ich hingefahren, aber die Straßen und die Häuser sehen da alle gleich aus, und ich konnte auch nirgendwo ein Schild oder einen Hinweis entdecken. Ich habe drei Leute gefragt, aber niemand wusste, wovon ich spreche. Zwei waren Touristen, die sich verlaufen hatten. Plötzlich war alles so aussichtslos, und außerdem hatte ich wahnsinnigen Hunger. Ich hätte am liebsten ein riesiges Stück Kuchen gegessen, aber ich habe mir gesagt, klar, das hilft jetzt echt. Wenn ich schon wie ein Dingowelpe klinge, muss ich ja nicht noch wie ein fetter Dingowelpe aussehen.
    Ich habe dann zwei Bananen gegessen und mich entschieden, zu Fuß zum Hotel zu gehen. Natürlich habe ich mich verirrt, London sieht überall gleich aus, überall Gedränge und zu viel Verkehr, und dann hat es auch noch angefangen zu regnen – um es kurz zu machen, ich habe mir dann doch ein Taxi genommen, aber ich WEISS , dass mich der Fahrer übers Ohr gehauen hat. Meiner Meinung nach war ich bloß zwei Tube-Stationen vom Hotel

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