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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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mochte meinen Namen noch nie. Ich finde Ella schöner.«
    »Ja, das klingt wirklich schöner«, sagte sie ernst. »Mein Zimmer ist hier vorn.«
    Wir kamen durch einen langen Korridor. Ich zählte sechs Türen.
    »Hast du Geschwister, Antoinette?«
    »Nein. Mami sagt immer, sie hätten solches Glück mit mir gehabt, da wollten sie es nicht noch mal versuchen. Sind Sie verheiratet, Ella?«
    Ich zögerte kurz. »Ja, bin ich.«
    »Haben Sie Kinder?«
    »Nein. Nein, keine Kinder.«
    »Ich heirate später Justin Bieber.«
    »Wirklich? Na, herzlichen Glückwunsch.«
    Schließlich blieb Antoinette vor einer Tür stehen und nickte. »Daddy sagt, er kann dafür sorgen, dass ich ihn mal treffe. Ich weiß alles, was man über Justin Bieber wissen muss. Daddy sagt immer, ich könnte bei einem Justin-Bieber-Quiz gewinnen. Und Mami, dass mein Zimmer das reinste Justin-Bieber-Museum ist.«
    Sie öffnete die Tür. Antoinette mochte zwar in einem riesigen Haus aufwachsen, doch ihr Zimmer sah wie jedes Kinderzimmer eines Mädchen ihres Alters aus – hellrosa Tagesdecke, auf den Regalen reihenweise Stofftiere, an den Wänden Poster von Bands, Schauspielern, Comicfiguren und Models, vor allem aber Justin Bieber.
    »Er ist supersüß, oder?«, seufzte sie.
    »Er hat eine tolle Frisur«, erwiderte ich.
    »Er ist bloß acht Jahre älter. Ich finde nicht, dass der Altersunterschied zu groß ist, Mami aber schon. Welches ist Ihr Lieblingstier?«
    »Der Fuchs. Und deines?«
    »Die Giraffe.« Antoinette öffnete eine Schranktür. Dahinter verbarg sich eine riesige Plüschgiraffe. Ich musste an die beiden riesigen Plüschfüchse denken, die Lucas Felix geschickt hatte. Wo sie wohl heute waren?
    »Wow«, sagte ich.
    »Ich wollte lieber eine echte, aber dann habe ich die bekommen. Ich rutsche so gern an ihrem Hals herunter. Haben Sie alles gesehen?«
    »Ja, danke.«
    Auf dem Weg zurück zum Arbeitszimmer redete Antoinette erneut über Justin Bieber. Ich tat so, als ob ich ein Problem mit meinem Schuh hätte, und bat sie, kurz zu warten. Ich wollte Zeit gewinnen. Während ich an meinem Schnürsenkel spielte, sah ich mich verstohlen um. Das Haus war eine Mischung aus klassischem Museum und moderner Galerie. Alles hing voller Grafiken, Landkarten und Gemälde. Die gestohlene Seekarte war zwar klein, aber sehr wertvoll gewesen. Als ich mich wieder aufrichtete, berührte ich flüchtig einen Bilderrahmen. Er war nicht gesichert. Ein kleines Bild hätte ich problemlos von der Wand nehmen können.
    Henrietta war schon zum Aufbruch bereit. »Haben Sie alles Nötige gesehen?«, fragte sie, als uns die Haushälterin zur Tür begleitete.
    »Das war ein sehr informativer Besuch«, erwiderte ich.
    Die zweite Adresse lag nur einen kurzen Fußmarsch entfernt. Wir wechselten auf dem Weg kein Wort. Was mir sehr recht war. Diesmal empfing uns die Mutter. Sie sah der ersten Mutter auf geradezu unheimliche Weise ähnlich. Für das Innere des Hauses galt das ebenfalls – üppige Teppiche und Vorhänge, teure Möbel, zahlreiche Austattungsstücke. Der Sohn, dreizehn Jahre alt, war höflich, ordentlich, selbstbewusst und offenkundig ebenfalls sehr intelligent. Henrietta kam gleich zur Sache. Ja, seine Noten waren ausgezeichnet. Nein, es gab an den Nachhilfelehrern – in seinem Fall Darin und Peggy – nichts auszusetzen.
    Als Henrietta eingehend über Peggys neue Unterrichtsmethode sprach, fragte ich, ob ich das Badezimmer benutzen dürfe. Eine Haushälterin zeigte mir den Weg und führte mich wortlos eine Etage tiefer. In diesem Haus fehlte eine Statuette. Wieder hatte der Dieb die Qual der Wahl gehabt. Auch hier war in Hülle und Fülle vorhanden, was meine Mutter wohl als Nippes, ein Kenner als Kunsthandwerk bezeichnet hätte. Auch hier wäre es ein Kinderspiel gewesen, irgendetwas von einem Tisch oder aus einem Regal zu nehmen und unentdeckt in einer Tasche oder am Körper aus dem Haus zu schmuggeln. Außerdem wurde in demjenigen der drei Wohnzimmer gelernt, das der Haustür am nächsten lag. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich dieses Haus mit weit mehr als meinem Portemonnaie, meinem Notizbuch und meinen Schlüsseln in der Handtasche verlassen können.
    Zu unserer dritten Adresse mussten wir ein Taxi nehmen. Ich hatte befürchtet, dass Henrietta bei der Gelegenheit erneut das Thema Hausverkauf anschneiden würde, doch als wir auf dem Rücksitz Platz genommen hatten, holte sie einen großen Ordner aus ihrer Tasche und begann, darin zu lesen. Ich folgte ihrem

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