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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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braucht Hilfe.
    Schon eilen die Serviererinnen zur Tür und lassen eine Prozession von Damen in duftigen Kleidern herein, die Berenice allesamt kennen und lieben – oder kennen und fürchten. Sie begrüßen Isabella überschwenglich und berichten, dass sie ihre Schmuckstücke kennen und einfach »eins haben müssen«, setzen ihre Worte aber nicht gleich in die Tat um. Sie essen und klatschen und trinken Tee, manche schlendern auf die Veranda hinaus, und Isabella befürchtet schon, sie könnten ihren Schmuck vergessen haben.
    Dann endlich bemerkt sie zwei Frauen am Kartentisch, die sanft miteinander streiten, weil sie beide eine Rubinbrosche zuerst entdeckt haben wollen. Die höfliche Auseinandersetzung erregt allgemeine Aufmerksamkeit, und bald hat sich eine Menge um den Kartentisch versammelt. Berenice schiebt Isabella sanft hinüber.
    »Wie viel kostet dieses Armband?«, erkundigt sich eine Matrone.
    Isabella überlegt sich einen Betrag und verdoppelt ihn, wie Berenice es ihr geraten hat. »Siebzig Pfund.«
    »Ich nehme es.«
    Und so geht es weiter, bis alle Stücke verkauft sind und sie genügend Geld hat, um zwei- oder dreimal mit Xavier nach New York zu reisen. Ihr Herz flattert, doch ihr Gesicht ist warm vor Aufregung, nicht vor Sorge.
    Als die letzten Gäste gegangen sind und die Mädchen den Tisch abräumen, taucht Matthew in der Tür auf. Er wirkt verlegen. »Soll ich später wiederkommen?«
    Berenice ergreift seine Hand und zieht ihn herein. »Auf keinen Fall. Möchten Sie Kuchen? Wir haben eine Menge übrig. Alle waren mehr an Marys Schmuck interessiert.« Berenice stößt sie sanft an. »Sie müssen wirklich mehr machen. Sie könnten eine reiche Frau werden.«
    Isabella spürt Matthews Blick. »Ich verspüre nicht den Wunsch, eine reiche Frau zu werden. Ich habe nur wenige, einfache Ziele. Ich danke Ihnen, dass Sie mir helfen, sie zu erreichen.«
    Berenice kneift die Augen zusammen, lächelt aber weiter. »Sie sind geheimnisvoll, Mary Harrow. Ich weiß nie genau, ob ich Sie ernst nehmen soll. Trotzdem, Sie sind ein reizendes Mädchen und hübsch dazu. Ich freue mich darauf, Sie morgen Abend auf dem Ball zu sehen. Um sieben ertönt der Gong zum Abendessen.« Sie nickt Matthew zu. »Wir unterhalten uns noch.«
    »Natürlich, Mylady.«
    Berenice verdreht gutmütig die Augen. »Nun, ja. Wenn Sie mich unbedingt so nennen wollen.« Mit diesen Worten ist sie verschwunden.
    Isabella und Matthew warten auf der Veranda, bis die Mädchen alles abgeräumt und sie die Suite wieder für sich allein haben.
    »Hat es dir im Lesezimmer gefallen?« Sie schauen zu, wie der Himmel über dem Fluss dämmert.
    »Ja. Und das Hotel hat auch einen elektrischen Telegrafen am Empfang.«
    »Ich glaube, hier steigen viele Parlamentsabgeordnete ab.«
    »Ich frage mich, wer sonst noch hier absteigt. Hoffentlich lauert Percy Winterbourne nicht irgendwo auf dich.«
    »Ach was, Matthew. Du siehst Gespenster.«
    »Trotzdem. Hier leben viele reiche Leute.« Er lächelt ihr zu. »Heißt das, dass du jetzt dazugehörst?«
    Isabella nickt. »Ich habe alles verkauft. Ich habe mehr als genug, um in Amerika neu anzufangen.«
    »Dann solltest du aufbrechen. Vielleicht schon morgen. Von hier aus gehen ständig Dampfer nach Sydney. Von dort könntest du eine Überfahrt nach San Francisco oder New York buchen.«
    »Nicht morgen«, sagt sie vorsichtig. »Ich werde mir Berenice’ Ball doch nicht entgehen lassen. Ich kann ebenso gut von Mooloolah Heads aus nach Sydney fahren.«
    »Aber …«
    Sie springt von ihrem Stuhl und legt ihm die Finger auf den Mund, beugt sich vor und ersetzt sie durch ihre Lippen. »Matthew«, murmelt sie, »vergiss das alles für ein paar Tage. Bitte.«
    Er gehorcht, zumindest nach außen hin. Doch das schlechte Gewissen zieht ihr allmählich den Boden unter den Füßen weg.

    Steife Hose, Hemd, seidene Weste, schweres Jackett, dunkle Krawatte: Nacheinander zieht Matthew die Kleidungsstücke an und fragt sich, warum er eigentlich hier ist. Er hätte zu Hause bleiben sollen. Im Leuchtturm, da weiß er jedenfalls, wer er ist. Aber hier …
    Das Problem ist Isabella. Zu Hause spürt er nicht die Unterschiede. Dort ist er ein fähiger, unabhängiger Mann von guter Herkunft und klarem Verstand. Sie ist eine warme, kindliche, anmutige Frau, ebenfalls von guter Herkunft und klarem Verstand. Sie sind wie füreinander geschaffen. Erst hier in der feinen Gesellschaft erkennt er, was er zuvor verdrängt hat. Ihre Herkunft zeigt sich

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