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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Lust zu erklären, warum Joschi außerdem noch so wütend gewesen war. Plötzlich packte Hanna Bennos Hand. »Jetzt weiß ich’s!«, rief sie. »Au, mein Kopf!« Sie hatte sich zu schnell aufgesetzt. Aber die Erregung über das, woran sie sich eben erinnert hatte, verdrängte den Schwindel. »Heute Nachmittag, als ich mit Herrn Ernst auf dem Werkshof saß und Tee getrunken habe und er mir die Sache mit den getürkten Unterlagen erzählte, wen, glaubst du, habe ich da gesehen?«
    »Na sag schon!«
    »Karl Bolz! Er stand mit der Chefsekretärin am Fenster und sah zu uns herunter. Er hat sich sofort zurückgezogen, aber ich habe ihn trotzdem erkannt, und er hat nicht gerade entzückt ausgesehen.«
    »Karl Bolz«, sagte Benno gedehnt. »So, so. Hat euch beobachtet, sagst du. Aber wenn er … was könnte er hier gesucht haben? Hast du dir bei dem Gespräch vielleicht Notizen gemacht? Oder hat Herr Ernst dir etwas gegeben?«
    »Ja, stimmt. Herr Ernst hat ein paar Zeilen an Tante Kunigunde geschrieben und mir mitgegeben.«
    »Kleine Närrin.« Er streichelte ihr übers Haar. »Etwas gefährlich, deine Hilfsbereitschaft, hm?« Aber er machte ein Gesicht wie ein Kater vor einem Schälchen Sahne. »Karl Bolz bei der Firma Simanc, ei, ei. Was hatte er wohl da zu suchen? Das werde ich ihn morgen doch mal fragen müssen, ehrbarer Bürger hin oder her!«
    Benno gab Hanna das Beruhigungsmittel, das der Arzt dagelassen hatte. »In drei Stunden fängt ein arbeitsreicher Tag an. Es wird Zeit, dass ich noch ein paar Minuten Schlaf erwische.« Er gähnte. »Ich warte noch auf die Polizistin, die auf dich aufpassen soll, und gehe dann nach Hause. Komm, ich bringe dich ins Bett.«
    »So habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt«, murmelte Hanna und schlang ihm die Arme um den Hals.
    »Was hast du dir so nicht vorgestellt?« Er keuchte ein wenig, als er sie die Treppe hinauftrug, denn ganz leicht war Hanna nicht.
    »Ins Bett bringen«, krächzte sie mit dem Kopf an seiner Brust.

22
    Benno schob den Aktenstapel von der Mitte seines Schreibtischs an den Rand, legte den Zettel mit der Liste derer, die er dringend anrufen musste, links neben sich und nahm ein frisches Blatt Papier. Er konnte nicht anders, er musste schnell das Gedicht aufschreiben, das ihm auf dem Weg ins Büro eingefallen war.
     
    » Wie der Berg zum Propheten, so komm ich zu dir, mein liebliches Tal.
    Ich ruhe an deiner Seite
    Und Blumen decken uns beide. «
     
    Zufrieden steckte er es in seine Brieftasche. Es war zwar nicht gerade große Dichtung, aber zumindest klang es biblisch, und das war doch auch schon etwas. Trotz der kurzen Nacht war Benno gut gelaunt. Sein Leben fühlte sich frisch und hellgrün an. Er war Hannas Retter und Held, der stark wie Sankt Georg ihren unheimlichen Feind gnadenlos … Das Telefon unterbrach seine gnadenlosen Pläne. Es war die Sekretärin aus der Geschäftsstelle, die ihn mit der Zahnarztpraxis Schneider in München verbunden hatte.
    »Guten Tag, hier spricht Benno Berg. Kann ich bitte Herrn Dr. Schneider sprechen?«
    Eine junge, etwas unbedarfte weibliche Stimme antwortete: »Nein, können’s leider net, der Chef ist net da. Ich hab scho Ihrer Sekretärin gsagt, dass er nach Bamberg gefahrn is wegen dem Todesfall.«
    »Todesfall?«, fragte Benno verblüfft.
    »Ja, eine Tante von ihm ist gstorbn, in Bamberg, hat er gsagt, und da ist er hingfahrn, weil er das klären muss. Weil, von der hat er nämlich nix gwusst, hat er gsagt, und das muss er jetzt klären.«
    »Aha«, sagte Benno, »und können Sie mir vielleicht auch sagen, wo ich ihn in Bamberg erreichen könnte?«
    »Ja, das ko ich scho«, antwortete das Mädchen eifrig, »weil, das war nämlich gestern ich, die das Zimmer bstellt hat. Im Hotel Nepomuk war’s. Ich kann Ihnen die Nummer raussuchen. Die muss noch im Display sei.«
    »Danke, das ist nett von Ihnen.«
    Benno lächelte. Er nahm sich erneut seine Telefonliste vor. An erster Stelle stand »Hanna«, aber die würde er noch etwas schlafen lassen. Er fragte nur per Handy bei Frau Kröner, der Aufpass-Polizistin, an, ob alles in Ordnung sei. Bei Werner war besetzt. So rief er im Büro des Stadtdirektors an, um seinen Besuch anzukündigen. Frau Morgenthaler musste ihm aber, zu ihrem Bedauern, wie sie beteuerte, mitteilen, Herr Bolz weile erst am Dienstag früh wieder in Bamberg, da er über das Wochenende in die Bamberger Partnerstadt Rodez geladen sei. Sie selbst habe ihn, so erzählte sie auf Bennos Nachfrage, am

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