Das Haus an der Düne
zusandte.
«Der Kern der Sache liegt doch darin», fuhr Mr Whitfield fort, «dass Captain Seton zu diesem Zeitpunkt so gut wie nichts zu vermachen hatte. Er lebte von der Unterstützung seines Onkels. Ich nehme an, daher fand er diese Form des Testaments völlig akzeptabel.»
Und lag völlig richtig damit, flüsterte ich mir selbst zu.
«Und wie lautet sein letzter Wille?», fragte Poirot.
«Alles, was er zum Zeitpunkt seines Todes besitzt, vermacht er ohne Einschränkung seiner zukünftigen Frau, Miss Magdala Buckley. Er hat mich als Testamentsvollstrecker eingesetzt.»
«Also erbt Miss Buckley.»
«Miss Buckley erbt ganz sicher.»
«Und wäre Miss Buckley letzten Montag gestorben?»
«Da Captain Seton vor ihr verstarb, würde das Geld an denjenigen gehen, der wiederum in ihrem Testament als Erbe eingesetzt ist – oder ohne Testament an ihre nächsten Anverwandten. Und gestatten Sie mir die Bemerkung», fügte Mr Whitfield mit freudiger Miene hinzu, «die Erbschaftssteuern wären kolossal gewesen. Kolossal! Drei Todesfälle in rascher Folge.» Er schüttelte den Kopf. «Kolossal!»
«Aber es wäre doch noch etwas übrig geblieben?», fragte Poirot mit schwacher Stimme.
«Mein lieber Herr, wie ich Ihnen bereits sagte, war Sir Matthew der zweitreichste Mann Englands.»
Poirot stand auf.
«Vielen Dank, Mr Whitfield, für Ihre Auskunft.»
«Gern geschehen, gern geschehen. Ich darf Ihnen anvertrauen, dass ich mich mit Miss Buckley ins Benehmen setzen werde – ich glaube, der Brief ist sogar bereits abgeschickt. Ich werde ihr mit Freuden zu Diensten sein.»
«Eine junge Dame wie Mademoiselle Buckley», stimmte Poirot zu, «kann klugen juristischen Beistand gut gebrauchen.»
«Es wird Mitgiftjäger geben, fürchte ich», sagte Whitfield und wackelte bedenklich mit dem Kopf.
«Das scheint unvermeidlich», bestätigte Poirot. «Guten Tag, Monsieur.»
«Auf Wiedersehen, Monsieur Poirot. Ich freue mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Ihr Name ist mir – äh – durchaus bekannt.»
Es sollte freundlich klingen – aber er sagte es, als mache er ein kostbares Zugeständnis.
«Es ist tatsächlich alles so, wie Sie dachten, Poirot», sagte ich, sobald wir draußen waren.
« Mon ami, das muss es auch. Es konnte gar nicht anders sein. Wir treffen uns jetzt im Restaurant ‹Cheshire Cheese› mit Inspektor Japp zu einem frühen Abendessen.»
Inspektor Japp erwartete uns bereits am verabredeten Treffpunkt. Er begrüßte Poirot mit überströmender Wärme.
«Seit Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen, Monsieur Poirot. Nahm an, Sie hätten sich aufs Land zurückgezogen und züchten Kürbisse.»
«Ich hab’s versucht, Japp. Ich hab’s versucht. Aber selbst wenn man Kürbisse züchtet, ist man nicht gegen Mord gefeit.»
Er seufzte. Ich wusste, woran er dachte – an diese seltsame Affäre in Fernley Park. Wie ich es doch bedauerte, damals nicht dabei gewesen zu sein.
«Und da ist ja auch Captain Hastings», sagte Japp. «Wie geht es Ihnen, Sir?»
«Ich fühle mich sehr gut, danke», antwortete ich.
«Und jetzt gibt es wieder neue Morde?», erkundigte sich Japp scherzhaft.
«Es ist genau, wie Sie sagen – wieder Morde.»
«Nun, nehmen Sie es nicht so tragisch, alter Bursche», tröstete ihn Japp. «Selbst wenn Sie die Dinge noch nicht klar sehen – nun – in Ihrem Alter kann man nicht erwarten, den Erfolg von damals zu haben. Wir alle werden mit den Jahren nicht jünger. Man muss die Jungen mal ranlassen, wissen Sie.»
«Und doch kennt nur der alte Hund alle Tricks», murmelte Poirot mehr zu sich selbst. «Er ist schlau und listig. Er verliert die Fährte nicht.»
«Ach, kommen Sie. Wir sprechen von Menschen, nicht von Hunden.»
«Besteht da ein so großer Unterschied?»
«Nun, das kommt darauf an, wie Sie die Dinge betrachten. Aber Sie sind schon immer eine tolle Nummer gewesen, was, Captain Hastings? War er doch immer. Hat sich überhaupt nicht verändert – das Haupthaar etwas dünner, aber das Sauerkraut im Gesicht üppiger denn je.»
«Eh?», sagte Poirot. «Was soll das heißen?»
«Er beglückwünscht Sie zu Ihrem Schnurrbart», erklärte ich vermittelnd.
«Oh ja, er ist wirklich sehr stattlich», sagte Poirot besänftigt und strich liebevoll über sein Prunkstück. Japp brüllte los vor Lachen.
Nach etwa zwei Minuten hatte er sich wieder beruhigt und sagte: «Nun gut, ich habe Ihren Auftrag erledigt. Diese Fingerabdrücke, die Sie mir geschickt haben…»
«Ja?», fragte Poirot
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