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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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geäußert, die ebenso tiefsinnig wie nahe liegend ist. Sie ist so nahe liegend, dass ich sie überhaupt nicht in Betracht gezogen habe. Aber sie beruht auf einer sehr befremdlichen Voraussetzung. Der ergebene Freund von Madame, Monsieur Lazarus, tut sein Bestes, sie an den Galgen zu bringen. Das eröffnet neue, höchst interessante Perspektiven. Aber kompliziert – sehr kompliziert.»
    Ich schloss die Augen. Ich war stolz darauf, so klug gewesen zu sein, aber ich wollte über nichts Kompliziertes nachdenken. Ich wollte nur schlafen.
    Ich glaube, Poirot redete in einem fort, aber ich hörte nicht mehr zu. Seine Stimme wirkte irgendwie einlullend.
    Als ich ihn wieder sah, war es bereits später Nachmittag.
    «Mein kleiner Plan ist eine Glückssträhne für sämtliche Blumengeschäfte», verkündete er. «Alle bestellen Kränze. Monsieur Croft, Monsieur Vyse, Commander Challenger…»
    Dieser Name rief bei mir Gewissensbisse hervor.
    «Hören Sie, Poirot», appellierte ich an ihn. «Sie müssen ihn einweihen. Der arme Kerl ist bestimmt außer sich vor Kummer. Das ist einfach nicht fair.»
    «Sie hatten immer eine Schwäche für ihn, Hastings.»
    «Ich mag ihn. Er ist ein durch und durch anständiger Bursche. Sie müssen ihn in das Geheimnis einweihen.»
    Poirot schüttelte den Kopf.
    «Nein, mon ami. Ich kann keine Ausnahmen machen.»
    «Aber Sie haben ihn doch nicht im Verdacht, etwas damit zu tun zu haben?»
    «Ich mache keine Ausnahmen.»
    «Denken Sie doch nur daran, wie er leidet.»
    «Ganz im Gegenteil, ich denke daran, welch erfreuliche Überraschung ich für ihn bereithalte. Wenn man die Liebste für tot hält – und sie ist plötzlich lebendig! Ein einmaliges Gefühl – überwältigend.»
    «Was sind Sie doch für ein eigensinniger alter Teufel. Er würde das Geheimnis für sich behalten.»
    «Da bin ich nicht so sicher.»
    «Er ist ein Ehrenmann. Das weiß ich ganz genau.»
    «Das macht die Sache nur schwieriger. Ein Geheimnis zu bewahren ist eine Kunst, die viele geschickt erzählte Lügen erfordert sowie großes Talent zur Komödie und Freude daran. Ob sich Ihr Commander Challenger wohl verstellen könnte? Wenn er das ist, wofür Sie ihn halten, dann sicherlich nicht.»
    «Also werden Sie es ihm nicht erzählen?»
    «Ich weigere mich ganz einfach, das Gelingen meines kleinen Plans aus sentimentalen Gründen zu vereiteln. Wir spielen mit Leben und Tod, mon ami. Und außerdem stärkt Leiden den Charakter, das haben viele Ihrer berühmten Geistlichen gesagt – sogar ein Bischof, wenn ich mich nicht irre.»
    Ich unterließ weitere Versuche, seine Entscheidung ins Wanken zu bringen. Mir war klar, dass sein Entschluss feststand.
    «Ich werde mich nicht zum Abendessen umziehen», murmelte er. «Dazu bin ich viel zu sehr der gebrochene, alte Mann. Das ist meine Rolle, verstehen Sie? Mein Selbstbewusstsein ist am Boden – ich bin am Boden zerstört. Ich habe versagt. Ich werde beim Dinner kaum etwas anrühren – nur auf dem Teller herumstochern. Ich glaube, so werde ich die Sache angehen. In meinen eigenen vier Wänden werde ich einige Brioches und Schokoladeneclairs (oder das, was man hier darunter versteht) verzehren, die ich in weiser Voraussicht in einer Konditorei besorgt habe. Und wie steht es mit Ihnen?»
    «Für mich nur etwas Chinin», erwiderte ich niedergeschlagen.
    «Das tut mir leid, mein armer Hastings. Aber nur Mut, morgen ist alles wieder gut.»
    «Höchstwahrscheinlich. Diese Anfälle dauern meist nur vierundzwanzig Stunden.»
    Ich hörte ihn nicht zurückkommen. Ich muss geschlafen haben.
    Als ich aufwachte, saß er am Tisch und schrieb etwas. Vor ihm lag ein sorgfältig glatt gestrichenes Blatt Papier. Es war die Liste mit den Verdächtigen – von A bis J –, die er unlängst zerknüllt und weggeworfen hatte.
    Er beantwortete meine unausgesprochene Frage mit einem Kopfnicken.
    «Ja, mein Freund. Ich habe sie wieder zum Leben erweckt. Ich bearbeite sie jetzt von einem neuen Gesichtspunkt aus. Ich stelle für jede Person einen Fragenkatalog zusammen. Die Fragen müssen nicht unbedingt etwas mit dem Verbrechen zu tun haben – es sind einfach Dinge, die ich nicht weiß –, Ungeklärtes, das ich mithilfe meines Verstandes versuche zu beantworten.»
    «Wie weit sind Sie gekommen?»
    «Ich bin fertig. Möchten Sie es hören? Fühlen Sie sich kräftig genug dazu?»
    «Oh ja, ich fühle mich wirklich schon viel besser.»
    « A la bonne heure! Sehr gut, ich werde sie Ihnen vorlesen. Einige Fragen

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