Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Wendy.
    »Stören? Ich bin allein, also kann von Störung kaum die Rede sein.«
    »Ja, das sehe ich jetzt auch. Aber ich dachte, ich hätte Sie sprechen hören … sind das Ihre Eltern, Miss Macallum?«
    »Warum fragen Sie? Entdecken Sie etwa eine Familienähnlichkeit?« fragte Feenie mit unnötig beißender Ironie.
    Wendy Woolley schien das nicht zu bemerken. Sie verglich das Portrait mit ihrer Gastgeberin und meinte dann: »Um den Unterkiefer herum vielleicht …«
    Feenie betrachtete den zarten, feinknochigen Unterkiefer ihrer Mutter und schnaubte verächtlich.
    »Es ist lange her, daß ich ihr geglichen habe«, entgegnete sie, »wenn überhaupt je.«
    »Nein, ich meine den Mann.«
    Feenies Blick wanderte zu Macallums kantigem Preisboxerkinn und dann zu Mrs. Woolleys Gesicht, wo sie aber nur den ernsthaften Wunsch, sich höflich zu zeigen, entdecken konnte.
    »Ja, das sind meine Eltern«, sagte sie abrupt. »Ich bedaure, daß ich Sie vernachlässigt habe, aber ich mußte weg. Ich bin einer Frau in die Arme gelaufen, die in einem meiner Cottages wohnt. Sie hat Ellie Pascoe mitgebracht. Erinnern Sie sich an Mrs. Pascoe, bei der wir kürzlich unsere Versammlung hatten?«
    »Oh, ja. Ich freue mich darauf, sie wiederzusehen. Eine nette Dame, würde ich sagen.«
    »Ich bezweifle, daß Sie Ihnen diese Charakterisierung danken würde«, meinte Feenie. »Heute abend kommen sie zum Essen, da werden Sie selbst mit ihr über das Thema plaudern können. Es sei denn, Sie werden heute nachmittag schon fertig, und wenn das der Fall ist, brauchen Sie natürlich nicht aus reiner Höflichkeit zu bleiben.«
    Mochte auch die Komplexität der Angelegenheiten von Liberata diese Frau noch nicht zum Rücktritt getrieben haben, so hatte sie doch inzwischen bestimmt mitbekommen, daß eine Übernachtung in Gunnery nichts für zartbesaitete Gemüter war, die auf altmodische Landhausfreuden aus waren. Mit etwas Glück würde Mrs. Woolley die angebotene Ausrede aufgreifen und schleunigst zu den Annehmlichkeiten ihres Vorstadthäuschens zurückkehren.
    Aber das Glück war Feenie an diesem Vormittag nicht hold.
    »Nein, wirklich, mir ist es recht. Daheim erwartet mich niemand, und hier ist ja ein wahrer Berg an Arbeit zu bewältigen. Mir war bisher nicht klar, wie ausgedehnt unsere Tätigkeit ist. Da hätte ich auch eine Frage, Miss Macallum. Ich finde zwar viele Hinweise auf die Finanzierung der Stiftung, aber bei den Unterlagen, die ich übernommen habe, befindet sich offenbar kein Rechenschaftsbericht über den gegenwärtigen Stand unserer Finanzen. Ich brauche Sie sicher nicht zu erinnern, daß die Stiftung als eingetragener gemeinnütziger Verein über die Verwendung ihrer Mittel Rede und Antwort stehen muß.«
    »Da haben Sie recht, Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern«, gab Feenie spitz zurück. »Aber vielleicht sollte ich Sie daran erinnern, Mrs. Woolley, daß es Ihre Hauptaufgabe ist, sich um die laufenden Angelegenheiten, die Post, die kleineren Ausgaben und dergleichen zu kümmern. Die umfassenderen finanziellen Belange der Stiftung liegen natürlich in den Händen meiner Steuerberater. Wie dem auch sei, da ich selbst seit langer Zeit den Großteil des Geldes der Stiftung zur Verfügung stelle, wüßte ich nicht, warum jemand einen öffentlichen Rechenschaftsbericht fordern sollte.«
    Hatte die frühere Schriftführerin Unbehagen in solchen Fragen zu erkennen gegeben, hatten derlei bissige Bemerkungen gereicht, um sie zum Schweigen zu bringen. Aber Wendy Woolley legte eine unerwartete Halsstarrigkeit an den Tag.
    »Nein, Miss Macallum«, entgegnete sie unbeirrt. »Das Geld mag von Ihnen stammen, aber sobald es in die Stiftung geflossen ist, gehört es der Stiftung und unterliegt somit allen Beschränkungen, die das mit sich bringt.«
    Feenie murmelte etwas auf Serbokroatisch. Es war ein Lieblingsspruch ihrer Mutter gewesen und besagte sinngemäß etwa:
Eine Maus in der Molkerei kann mehr Schaden anrichten als ein Wolf im Wald.
    »Ich werde Ihre Bedenken meinen Steuerberatern mitteilen«, erklärte sie dann. »Ja, ich werde sie sofort anrufen. Das könnte allerdings eine Weile dauern, und ich wollte noch auf einen Sprung ins Dorf. Den Erwachsenen kann ich heute abend schon etwas zum Futtern vorsetzen, aber wir sollten wirklich ein bißchen Eis, Limonade, Schokokekse und dergleichen für Mrs. Pascoes Kind im Haus haben, und der Laden schließt heute früher. Ich nehme nicht an, daß Sie, meine

Weitere Kostenlose Bücher