Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Ihr blondes langes Haar flatterte im Sturm.
Nachdem der Regenschauer vorbei war, konnte Valerie dem Kampf mit der Natur sogar etwas abgewinnen. Obwohl so manche Bö dazu angetan war, sie vom Pferd zu wehen, erreichten sie wohlbehalten und zerzaust die Plantage. Das Zuckerrohr auf den Feldern bog sich unter der Kraft des Windes. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Offenbar hatten sie ihre Arbeit auf den Feldern eingestellt. Und Valerie nahm sich fest vor, nachher noch dem Vorarbeiter Papa Jo einen Besuch abzustatten, um sich danach zu erkundigen, wie viele von den Arbeitern das Fieber erwischt hatte. Und insgeheim hoffte sie, dass Ethan vielleicht gerade auf der Plantage bei seinen Patienten war.
Cecily war aufgeregt, als sie sich dem Haus des Brennmeisters näherten.
»Ob er sich freut, dass ich mich seinetwegen durch den Sturm gekämpft habe?«, fragte sie, während sie an die Tür klopfte. Es dauerte eine ganze Zeit, bis jemand öffnete.
Cecily und Valerie erstarrten gleichermaßen, als sie erkannten, wer da unerwartet vor ihnen stand. Es war Rosa, die ehemalige Haushaltshilfe vom alten Brown. Und nicht nur das. Ihr gewölbter Bauch ließ keinen Zweifel daran, dass sie schwanger war.
Cecily fand als Erste die Sprache wieder. »Ich möchte zu Mister Franklin«, sagte sie in überheblichem Ton. »Bitte melden Sie mich bei ihm.«
Ein Lächeln umspielte Rosas Lippen, als sie sich umwandte und rief: »Gerald, du hast Besuch.«
»Gerald? Wie reden Sie denn mit Mister Franklin?«, keifte Cecily und wollte sich an Rosa vorbeidrängen ins Haus, doch Valerie hielt sie fest. »Mach jetzt keinen Aufstand. Es wird sich alles klären!«
Cecily aber war nicht zu beruhigen. Fluchend befreite sie sich aus Valeries Griff.
»Das ist ja wohl die Höhe. Was hat das zu bedeuten?« Sie maß Rosa mit einem vernichtenden Blick. »Wer sind Sie eigentlich? Was tun Sie hier?«
In diesem Moment tauchte Gerald auf. »Kommen Sie erst einmal rein, Misses Brown, und schließen Sie die Tür. Bei dem Wind!«
Valerie schob Cecily ins Haus und zog die Tür hinter sich zu. Cecily musterte Gerald derweil wie einen Geist.
»Liebling, wer ist diese unverschämte Person?«
Gerald aber legte nun demonstrativ den Arm um Rosa. »Das ist Misses Franklin, meine Frau. Rosa, das sind Miss Fuller und die neue Eigentümerin der Plantage, Misses Brown.«
»Misses Brown kenne ich schon; und Miss Fuller ist mir zur Genüge aus deinen Erzählungen bekannt. Das ist doch die junge Dame, die demnächst den reichsten Erben der Insel heiratet, nicht wahr?«, flötete Rosa.
Valerie warf ihrer Freundin einen Seitenblick zu. Sie fragte sich, was dieses Theater sollte und ob Cecily womöglich gleich in Ohnmacht fallen würde, denn sie war kalkweiß geworden.
»Seit wann bist du verheiratet?«, krächzte Cecily.
»Seit vorgestern«, erwiderte Gerald ungerührt.
»Wie konntest du mir das antun?«, stieß Cecily hervor, stürzte sich auf Gerald und bearbeitete ihn mit Fäusten. Rosa war erschrocken zur Seite gesprungen.
Gerald aber hielt ihre Handgelenke fest und musterte sie abschätzig. »Das wird dein zukünftiger Gatte aber gar nicht gern sehen«, zischte er.
Cecily brach in Tränen aus. »Warum quälst du mich so? Warum tust du mir das an? Wie lange geht das schon?«
Gerald suchte Valeries Blick. »Ich nehme mal an, Sie als ihre beste Freundin wissen, wie sich die gnädige Frau unsere Zukunft vorgestellt hat, nicht wahr?«
Valerie blieb ihm eine Antwort schuldig. Das Schauspiel, das ihr soeben geboten wurde, missfiel ihr außerordentlich.
»Dann will ich Ihnen, Miss Fuller, einmal in aller Offenheit sagen, was ich von Ihren Plänen, mich als Geliebten zu nehmen, halte. Nämlich gar nichts!«
»Aber wir haben … wir haben uns doch vor ein paar Wochen noch leidenschaftlich, ich …«, stammelte Cecily verwirrt.
»Da war ich noch nicht verheiratet, Miss Fuller, aber jetzt, da ich ein ehrbarer Ehemann bin, werden Sie leider auf die Strandvergnügungen mit Ihrem armen Mischling verzichten müssen.«
Ehe er es sich versah, hatte Cecily ausgeholt und ihm eine schallende Ohrfeige verpasst. »Du, Schwein, du Mistkerl, ich bringe dich um!«
Gerald rieb sich grinsend die Wange. »Zu viel der Ehre, gnädiges Fräulein.«
Valerie hatte nur noch einen Wunsch: Bloß raus hier und auf schnellstem Wege zurück in ihr Haus! Sie hatte wirklich gar nichts übrig für die Pläne ihrer Freundin, sich Gerald als Geliebten zu halten – nur um nicht auf die
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