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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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überhört, oder Misses Leyland hatte mein Zimmer ohne Ankündigung betreten. Jedenfalls stand sie plötzlich vor meinem Bett und strich mir unbeholfen über den Kopf.
    »Was ist mit Ihnen? Da stimmt doch etwas nicht.«
    »Ich, ich … also, ich habe kaum Geld. Das ist alles für die Überfahrt draufgegangen. Sie haben behauptet, eine Frau an Bord bringt Unglück und haben mich dann ausgenommen wie eine Weihnachtsgans.« Schon wieder schwindelte ich sie an, doch hatte ich eine andere Wahl, wenn ich Leroy nicht verpetzen wollte?
    »Und was haben Sie jetzt vor?«, fragte Misses Leyland voller Mitgefühl. Ich glaubte, sie hegte mir gegenüber so etwa wie mütterliche Gefühle.
    Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, was ich tun soll. Und wohin ich gehen kann. Ich bin allein und mittellos.«
    »Das stimmt allerdings«, bekräftigte Misses Leyland meine Worte. »Aber ich habe da einen Einfall.«
    Ich horchte auf.
    »Können Sie kochen?«
    »Ja, ich habe mich auf dem Schiff mit dem Smutt angefreundet und für ihn gekocht.«
    Misses Leyland schmunzelte. »Nun ja, eine Kombüse ist das hier nicht. Mister Sullivan legt äußersten Wert auf gutes Essen. Deshalb haben wir auch eine hervorragende schwarze Köchin, die, obwohl sie einst als Sklavin ins Sullivan-House kam, einige Privilegien genießt. Schon Mister Sullivans Vater hat Marisha die Freiheit geschenkt, und sie besitzt ein eigenes kleines Häuschen hinter dem Kochhaus. Der alte Mister Sullivan hat wohl nicht gewagt, sie ins Haus …« Misses Leyland schlug sich erschrocken die Hand auf den Mund. »Darüber sollte ich nicht reden.«
    »Aber jetzt, wo Sie schon einmal angefangen haben. Was war mit dem alten Mister Sullivan und Marisha?«
    »Es ist eigentlich nicht für Ihre Ohren bestimmt, aber nun gut. Mister Sullivan hat sich Marisha ins Bett geholt, auch schon vor dem Tod seiner Frau. Aber aus Rücksicht auf den Jungen, also den jungen Mister Sullivan, hat er ihr eine Bleibe im Garten geschenkt und sie nicht mit ins Haus genommen. Das machen hier viele Männer. Allen voran unser Generalgouverneur, Mister Scholten. Seine schwarze Mätresse lebt sogar mit ihm unter einem Dach. Also, ich finde das ziemlich geschmacklos und war deshalb sehr froh, dass Marisha nicht im Haus ein und aus ging. Aber eines muss man ihr lassen, sie ist eine hervorragende Köchin.«
    »Aber wenn Sie eine Köchin haben, wozu brauchen Sie mich dann?«
    »Weil die Küchenhilfe Molly mit Leroy und den anderen Kerlen abgehauen ist. Sie wird, wenn man sie jemals einfangen sollte, bestimmt nicht wieder in der Küche arbeiten dürfen, sondern muss, wenn sie nicht strenger bestraft wird, zurück ins Zuckerrohr. Also ist die Stelle frei.«
    »Und Sie meinen, ich könnte sie bekommen?«
    »Ja, denn ich bestimme, wer hier wo arbeitet. Und da du keine Sklavin bist, wirst du außer Kost und Logis ein wenig Geld bekommen. Aber dann werde ich dich duzen müssen. Wie heißt du mit Vornamen?«
    »Anne«, erwiderte ich wie aus der Pistole geschossen. »Ich werde alles tun, damit ich überleben kann«, versicherte ich der Haushälterin eifrig.
    »Gut, dann pack deine Sachen und folge mir in den Garten. Dort gibt es ein kleines Häuschen für weiße Hausangestellte. Zurzeit bist du außer mir die Einzige auf dem Gelände des Sullivan-Hauses. Bis auf den Kutscher, aber der ist mit dem gnädigen Herren auf Reisen.«
    Die Sitten hierzulande sind äußerst gewöhnungsbedürftig, dachte ich und packte meine Waschutensilien und den grünen Stoff in meinen Koffer und folgte Misses Leyland. Das Gute war, dass sie Deutsch mit mir spricht, ging es mir durch den Kopf, als mir einfiel, dass ich ja nun gar kein Geld mehr besaß, um bei ihr Unterricht in englischer Sprache zu nehmen.
    »Misses Leyland, wie kann ich denn nun bloß Englisch lernen, wenn ich Sie nicht bezahlen kann?«, entfuhr es mir verzweifelt.
    Misses Leyland blieb stehen und legte mir vertraulich die Hand auf den Unterarm. »Du hast mir doch das Geld für die Miete gegeben. Dafür unterrichte ich dich«, erklärte sie, und es klang wie ein großzügiges Angebot.
    Vor einem kleinen Holzhaus an der Grenze zur Plantage blieb Misses Leyland stehen. Ich verliebte mich auf den ersten Blick in das putzige Häuschen. Es war hellblau gestrichen, hatte ein gelbes Ziegeldach und besaß eine kleine Veranda. Drinnen gab es nur einen Raum, der ein offenes Fensterloch mit einem Fliegengitter davor besaß. Ich konnte einen schweren Bambusvorhang davorziehen, wenn ich

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