Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
der Tür holte sie die beiden ein und baute sich vor Richard Fuller auf.
»Wissen Sie, dass Sie ein ganz mieser Kerl sind!«, brüllte sie.
Richard Fuller quittierte ihren Zornausbruch mit einem gehässigen Lachen. »Jim, geh schon mal vor in mein Büro. Ich komme gleich nach. Die Lady wünscht mich zu sprechen.«
»Verzeihung, ich …«, brachte Mister Owens sein Bedauern zum Ausdruck, bevor er mit gesenktem Kopf davoneilte.
»Ich habe nur eine Frage. Warum tun Sie das?«
»Aus demselben Grund wie Sie! Ohne Plantagen kein Zuckerrohr, ohne Zuckerrohr keine Maische, und ohne Maische kein Rum. Und wer will seine Schiffe im Februar schon gern leer zurückgehen lassen? London wartet auf Nachschub genauso wie Ihr Kaff. Wie heißt das noch mal?«
Valerie funkelte ihn hasserfüllt an. »Und warum haben Sie die Plantagen nicht gekauft, als Mister Owens sie Ihnen angeboten hat?«
»Weil ich ihn runterhandeln wollte. Warum sonst? Aber dass der Idiot dann eine Tür weitergeht, konnte ich nicht ahnen. Ich musste es verhindern. Das sollten Sie eigentlich verstehen,
oder?«
»Ich weiß nur, dass Sie ein mieser Kerl sind. Und wahrscheinlich waren Sie es, der James dazu angestiftet hat, meinen Brennmeister zu bestechen. Das sieht ihm nämlich gar nicht ähnlich!«
Er lachte noch lauter. »Oho, die kleine Lady ist immer noch für meinen Bruder entflammt. Haben Sie nicht schon genug Unheil angerichtet?«
Ehe Valerie es sich versah, hatte er sie bereits grob am Arm gepackt und in eine dunkle Ecke hinter dem Haus gezerrt. Dort drückte er sie gegen die Wand und hielt ihre Arme fest über den Kopf. Er kam mit seinem Gesicht ganz nahe an sie heran. Sie roch, dass er getrunken hatte. Und da war sie wieder, die Angst vor diesem Kerl.
»Lassen Sie mich los! Wir haben uns nichts mehr zu sagen«, fauchte sie.
»Wie komme ich dazu? Ich rieche deine Panik, Mulattin. Sie kommt dir aus jeder Pore. Aber mich macht das scharf. Sehr scharf! Ich würde dich gern auf der Stelle nehmen, aber leider kann jeden Moment jemand vorbeikommen …«
Einer plötzlichen Eingebung folgend spuckte Valerie ihm ins Gesicht. Sein dreckiges Lachen verstummte.
»Du willst den Austausch von Körperflüssigkeiten? Kannst du haben.« Und schon hatte er seinen Mund auf ihren gepresst. Valerie aber biss ihm so kräftig in die Lippe, dass er das Gesicht vor Schmerzen verzog und seine Hände bedrohlich um ihren Hals legte. Dabei musterte er sie mit einem zugleich verächtlichen und begehrlichen Blick.
Valerie war bemüht, sich ihre Todesangst nicht anmerken zu lassen.
Sein Griff lockerte sich, und er grinste breit. »Werde meine Frau, und wir legen unsere Pfunde zusammen. Ich bringe das Zuckerrohr ein, das dir fehlt, und du teilst mit mir das Geheimnis eures Rums, der dann unserer sein wird!«
»Sie glauben nicht im Ernst, ich würde Sie heiraten. Einen brutalen und ekelhaften Menschen. Einen Mann, der andere erpresst, einschüchtert und zu bestechen versucht. Einen ekelhaften Kerl, den ich niemals lieben könnte!«
Valerie befürchtete, er würde jetzt stärker zudrücken. Zu ihrer großen Erleichterung ließ er die Arme jedoch sinken und grinste sie unverschämt an. »Du bist zu bedauern. Rennst einem Weichei wie meinem Bruder hinterher!«
»Ihr Bruder hat tausendmal mehr Charakter als Sie!«, gab sie wütend zurück. »Und wenn er zum Schuft geworden ist, dann nur dank Ihres Einflusses!«
»Charakter? Dass ich nicht lache. James kommt nach Vater, den seine Gutmütigkeit dazu verdammt hat, sich mit dem zweiten Platz zu begnügen. Er hat deine Großmutter stets bewundert, statt die Daumenschrauben anzusetzen. Geweigert hat er sich, ihr Erfolgsgeheimnis ausspionieren zu lassen. Pah, so kommt man nicht weiter. Ich aber bin ein Hamilton durch und durch. Mein Großvater wäre anders mit dieser Dame umgesprungen. Längst wären wir die Nummer eins.«
»Das sind Sie aber nicht!«, erwiderte Valerie mit fester Stimme. Sie wusste nicht, warum, aber plötzlich hatte sich ihre Angst vor diesem Kerl verflüchtigt. Was sollte er ihr schon antun? Er konnte es weder wagen, sie umzubringen noch sie zu vergewaltigen. Dann würde er nämlich am Galgen enden.
»Aber ich werde es bald sein, meine kleine Mulattin! Weil du mir nämlich euer Geheimnis freiwillig anvertrauen wirst.«
»Niemals!«
»O doch! Oder sollen deine Schiffe im Februar leer zurückgehen? Ein Jahr, das ist eine lange Zeit, wenn keine Einkünfte in die Kasse kommen. Und da habe ich dich längst
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