Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
flüsterte Cecily verschwörerisch. »Ich habe einen Streit zwischen Mutter und James angehört. Er hat ihr angekündigt, dass er die Verlobung mit Mary Tenson, sobald er aus Kingston zurückgekehrt ist, endgültig lösen und dann um deine Hand anhalten wird. Er muss nur noch irgendetwas recherchieren …«
Genau, ob er einen Makel in meiner Herkunft findet, dachte Valerie bitter, aber sie sagte nur: »Zu spät. Ich habe kein Interesse mehr an ihm. Allein die Vorstellung, deine Mutter als Schwiegermutter zu bekommen, schreckt mich ab. Lass uns jetzt das Thema wechseln.«
»Gern«, flötete Cecily und blickte verzückt in Richtung der Tür, durch die Gerald soeben ins Freie trat.
»Mach dir keine Hoffnungen«, raunte Valerie. »Das erlaubt deine Mutter nie!«
Cecily aber schien sie gar nicht wahrzunehmen und strahlte den Verwalter an, als gäbe es nur ihn auf der Welt.
»Wie sieht es aus? Sind die Damen bereit, Montego Bays Geschäfte zu stürmen?« Auch er wirkte so aufgedreht, wie Valerie es ihm gar nicht zugetraut hatte. Wie ein großer Junge, der am Rumfass genippt hatte und seinen ersten Rausch erlebte.
»Ja, wir sind bereit«, knurrte Valerie, während Cecily seufzend ausstieß: »Ach, wie schön, dass Sie uns begleiten«, und sich bei ihm unterhakte.
Mit gemischten Gefühlen trottete Valerie den beiden Turteltauben hinterher. Natürlich gönnte sie ihrer Freundin, dass sie sich verliebte, doch sie hatte noch die mahnenden Worte ihrer Großmutter im Ohr, der Verwalter wäre ein berüchtigter Frauenheld … Als aber Cecily sich in diesem Augenblick zu Valerie umdrehte, ihr zuzwinkerte und dabei vor Glück strahlte, steckte sie die Freundin mit ihrer Begeisterung an. Sie war die Letzte, die Cecily vorschreiben wollte, welchem Mann sie ihr Herz schenkte.
Also raffte sie sich auf, ihre Vorbehalte über Bord zu werfen. Zum Zeichen, dass sie nicht die mürrische Dritte war, hakte sie ihre Freundin auf der anderen Seite unter. So schlenderten sie durch die Hauptstraße Montego Bays, während Jerome am Hafen bei der Kutsche auf ihre Rückkehr wartete.
Als Gerald sich entschuldigte, weil er noch etwas für die Brennerei besorgen müsste, und in einem Geschäft für Destilleriebedarf verschwand, drückte Cecily ihre Freundin überschwänglich an sich.
»Es tut gut, dass du wieder da bist«, rief sie gerührt aus.
»Ich war nie fort. Du hast es vorgezogen, deiner Mutter zu gehorchen und mich zu meiden, weil sie glaubt, ich wäre in Wirklichkeit eine Mulattin.«
Cecily blickte Valerie entschuldigend an. »Meine Mutter kann manchmal sehr verbohrt sein. Besonders, wenn es um die Wahl unserer zukünftigen Ehepartner geht. Aber das ist doch nur ein dummes Gerücht. Du bist so weiß wie ich! Wahrscheinlich hat mein Großvater sie einst gegen ihren Willen mit meinem Vater verheiratet, sodass sie heutzutage böse Dinge in die Welt setzt, denn Liebe ist das bestimmt nicht zwischen den beiden …«
»So hast du noch nie über deine Eltern gesprochen«, bemerkte Valerie erstaunt.
»Aber es ist die Wahrheit. Vater soll angeblich regelmäßig zu den Frauen im Hafen gehen, und Mutter ist eine durch und durch unglückliche Frau. Mich will sie mit Ben Hunter verheiraten, einem vermögenden, aber schrecklich langweiligen Junggesellen aus Kingston, der überdies ein Pfannkuchengesicht hat.«
»Und? Wirst du dich ihrem Willen beugen?«
Cecily schnaubte verächtlich. »Vielleicht hätte ich es bis gestern sogar noch getan, aber glaube mir, meine Knie haben bei seinem Anblick nicht gezittert, während …« Sie hatte ihre Augen die ganze Zeit über auf die Tür des Geschäfts gerichtet. Plötzlich verklärte sich ihr Blick. Valerie musste sich gar nicht umdrehen. »Hoffentlich hört er nicht, wie mein Herz klopft«, raunte Cecily ihrer Freundin zu und schenkte Gerald Franklin ein verträumtes Lächeln.
Wie sie wohl handeln wird, sobald sie erfährt, dass er ein Abkömmling entlaufener Sklaven ist?, durchfuhr es Valerie plötzlich eiskalt. Ob sie dann ihren Gefühlen zum Trotz diesen Ben Hunter heiraten wird, so wie ihr Bruder bereit ist, für den Fall, dass schwarzes Blut in meinen Adern fließen sollte, Mary Tenson zu ehelichen?
Valerie wurde flau bei diesem Gedanken, denn in diesem Moment konnte sie es nicht länger vor sich selbst leugnen: Sie liebte James Fuller, aber sie würde ihn um keinen Preis heiraten! Wie sollte sie jemals einem Mann, der sie dermaßen auf den Prüfstand stellte und eine Ehe mit ihr von der
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