Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Zusammensetzung ihres Blutes abhängig machte, wirklich vertrauen? Nein, sie musste sich ihn endgültig aus dem Kopf schlagen! Und der beste Weg wäre, einen Mann aus Kingston zu heiraten, für den sie nicht annähernd dieselben Gefühle hegte – und auch niemals hegen würde. Oder sie tat es Grandma gleich und wurde zur nächsten »nordischen Lady«? Der Gedanke war ihr kaum gekommen, als ihr siedend heiß einfiel, dass ihre Großmutter einst sehr wohl an den Früchten der Liebe gekostet hatte, denn sonst wäre sie, Valerie, wohl kaum auf der Welt.
8
Flensburg, November 1831
I ch hatte mir das Leben an der Seite von Pit Hensen lange nicht so kurzweilig vorgestellt. Er ist ein überaus unterhaltsamer und humorvoller Mann. Und auch meine sogenannten ehelichen Pflichten sind ganz und gar nicht so scheußlich, wie ich es befürchtet habe. Natürlich habe ich keinen Vergleich, aber wenn ich meine Freundinnen so plaudern höre … Sie sind inzwischen alle verheiratet, und wenn sie hinter vorgehaltener Hand und kichernd berichten, wie schnell sie »das« hinter sich bringen, dann werde ich immer ganz still. Pit ist ein zärtlicher Mann, der es verstanden hat, in mir so etwas wie Leidenschaft zu wecken. Ich nehme an, das liegt daran, dass er erfahren ist. Und wenn ich mir die Bilder der verstorbenen Mia Hensen ansehe, dann sprüht die pure Sinnlichkeit aus ihren Augen. Doch dass mir das, was im Schlafzimmer geschieht, echte Freude bereitet, vertraue ich nur dir an, liebes Tagebuch. Meine Freundinnen würden die Näschen rümpfen, und ich wäre in ihren Augen keine Dame. Außerdem würden sie mir ohnehin nicht glauben, dass ich mit Pit Hensen gern das Bett teile. Sie glauben offensichtlich, dass ich todunglücklich sein muss, weil ich nur so einen alten Kerl »abbekommen habe«. Dabei möchte ich mit keiner von ihnen tauschen, aber auch das behalte ich lieber für mich.
Ich befürchte, dass auch meine Schwester nicht ganz unschuldig daran ist, wenn Gerüchte über meinen vermeintlichen Kummer die Runde machen. Sie hat mir nämlich neulich ganz mitleidig zugeflüstert, dass ich mich bewundernswert tapfer halte. Ich habe sie natürlich gefragt, wie sie das meine. Da ist sie ausgewichen und hat etwas gestammelt von wegen »Na ja, es sei ja ein Unterschied, ob wir die Männer heiraten, die wir lieben, oder eben nicht …« Ich habe vornehm geschwiegen. Kürzlich bemerkte meine Freundin Nele Ähnliches. Bei ihr habe ich nachgefragt, wie sie darauf komme. Sie lief rot an und stammelte, dass ich ja wohl eigentlich mit Hauke Jessen habe durchbrennen wollen … Das habe ich rundweg bestritten und mir das Hirn darüber zermartert, wer das in den Umlauf gebracht haben konnte. Außer Hauke und mir wissen nur zwei Männer davon: Pit und sein Neffe. Und ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass es nicht von Pit kommt … Die Sache ist es allerdings nicht wert, dass ich mir den Kopf darüber zerbreche. Sollen sie doch alle denken, dass ich mich nach Hauke verzehre und schrecklich unter der Ehe leide. Besser als wenn sie wüssten, wie zufrieden ich in Wirklichkeit bin. Das würde womöglich Missgunst erzeugen, und die ist weitaus schlimmer als Mitleid!
Was mir allerdings großen Kummer bereitet, ist die Tatsache, dass ich immer noch nicht schwanger geworden bin. Pit und ich hätten so gern ein Kind. Manchmal bin ich schier verzweifelt. Ob ich gar keine Kinder bekommen kann? Ich glaube das nicht. Meine Schwester hat schließlich auch inzwischen einem Jungen das Leben geschenkt. Er heißt Jannis, weil Heinrich ein waschechter Nordfriese ist und eigentlich Hendrik heißt und sich erst als Kapitän einen einfacheren Namen zugelegt hat.
Ich habe im Sommer jede freie Minute bei Lene verbracht, um das Kind auf dem Arm zu halten. Im Moment hole ich den Kleinen fast jeden Tag zu mir nach Hause, denn Heinrich wird in den nächsten Tagen wieder Richtung Saint Croix aufbrechen, und die beiden wollen oft allein sein. Ich spreche zwar nicht mit meiner Schwester, was sie im Schlafzimmer machen, aber aus ihren rosigen Wangen kann ich schließen, dass sie auch Freude daran hat.
An Bord des Schiffes hat Heinrich bei dieser Reise ausschließlich unsere Ware. Ja, seit Vater Pit seine gesamten Schiffe übergeben hat und Pit damit das größte Handelshaus der Stadt besitzt, arbeitet Heinrich nur noch für Hensen & Asmussen. Vater ist sehr stolz darauf, dass Pit sein Unternehmen so genannt hat. Er wohnt immer noch in unserem Haus auf dem
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