Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
entschwunden war. »Wieso hast du ihn mir so lange vorenthalten?«
Valerie entsann sich dunkel, dass sie Grandma vor nicht allzu langer Zeit dieselbe Frage gestellt hat.
»Grandma hat mich neulich mit auf die Plantage genommen, und da hat er mich ein wenig herumgeführt. Schließlich muss ich eines Tages mit ihm zusammenarbeiten.« Valerie war sichtlich bemüht, kühl und unbeteiligt zu klingen.
»Du wirst mit ihm arbeiten?«, fragte Cecily schwärmerisch.
»Er wird mein Verwalter sein, nachdem ich Großmutters Nachfolge angetreten habe.«
»Was meinst du, würde Mutter sagen, wenn ich ihr mitteile, dass ich mich in den Verwalter deiner Großmutter verliebt habe?« Cecilys Wangen glühten immer noch wie die untergehende Sonne, und aus ihren Augen funkelten tausend Sterne.
Valerie war keine bösartige Person und verspürte auch keinerlei Rachegefühle, weil Cecily sie so gemein fallen gelassen hatte und zu Mary Tenson gewechselt war, aber diese Frage forderte sie gleichwohl zu einer spöttischen Antwort heraus.
»›Auf keinen Fall!‹, würde sie entsetzt ausrufen. ›Meine Tochter und ein Verwalter? Niemals!‹« Dabei imitierte Valerie erstaunlich echt die Stimme von Misses Fuller.
»Aber ich möchte ihn und keinen anderen Mann«, widersprach Cecily trotzig.
»Hast du mir nicht einmal gesagt, dass die Ehepartner von deiner Mutter ausgesucht werden? Und nicht von euch Kindern? Und ist die Ehe nicht eine Angelegenheit der Vernunft?«, fragte Valerie in spitzem Ton. Plötzlich stand ihr alles wieder vor Augen: Die Teestunde bei Misses Fuller und ihre unverschämten Fragen …
Cecily sah Valerie entgeistert an. In ihren Augen schimmerte es verdächtig feucht. »Es tut mir so leid, dass ich die Anordnungen meiner Mutter widerspruchslos befolgt habe. Dabei ist James gar nicht glücklich mit Mary. Ich glaube, er liebt dich.«
»Das fällt dir aber reichlich spät ein!«
Cecily stieß einen tiefen Seufzer aus. »Bitte, nimm meine Entschuldigung an! Wir waren uns doch immer nahe. Viel näher, als ich Mary Tenson jemals gewesen bin. Sie ist nur an schönen Kleidern interessiert und daran, mit James eine gute Partie zu machen. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, wie es ist, wenn man liebt.« Cecily wandte den Blick verträumt dem Eingang des Hauses zu.
»Aber du kennst Gerald noch gar nicht«, widersprach Valerie heftig. Sie verzichtete darauf, die Freundin darüber aufzuklären, dass der Verwalter der Abkömmling von Maroons und angeblich ein Herzensbrecher war. Das würde ihr Cecily in ihrem entrückten Zustand ohnehin nicht glauben. Sollte sie es selbst herausfinden!
»Ich werde ihn heiraten«, erklärte Cecily kämpferisch.
»Sei nicht so kindisch«, wies Valerie ihre Freundin zurecht.
»Fühl mal!« Cecily ergriff Valeries Hand und presste sie auf ihr Herz.
»Ja, es pocht mächtig, aber das heißt noch lange nicht, dass du ihn heiratest. Mein Herz hat auch geklopft, als James mich …« Sie stockte.
Ein triumphierendes Lächeln erhellte Cecilys Gesicht. »Siehst du. Du kennst das also! Ich habe es mir die ganze Zeit gedacht, dass du in meinen Bruder verliebt bist!«
»Bin ich nicht!«, widersprach Valerie.
Cecily legte ihre Hand auf Valeries Herz. »Ach nein? Klopft dein Herz immer so heftig?«, spottete sie.
Valerie fühlte sich in die Enge getrieben. Natürlich regte sie dieses unverhoffte Gespräch über James auf, aber niemals würde sie seiner Schwester gegenüber zugeben, dass sie nicht nur an ihn dachte, sondern sogar von ihm träumte.
»Gut, er ist mir nicht gleichgültig, aber deshalb ist er noch lange nicht der Mann, den ich zu heiraten gedenke. Bevor ich eine Fuller werde, würde eher die Hölle zufrieren. James ist ein Feigling, der diese dumme Mary Tenson heiraten wird, um eurer Mutter nur nicht zu widersprechen, und der …« Valerie stockte. Nein, sie würde Cecily nicht verraten, was sie mit eigenen Ohren gehört hatte. Dass James nämlich mit Mary ein teuflisches Abkommen geschlossen hatte. Wenn er herausfinden sollte, dass durch ihre Adern schwarzes Blut floss, würde er Mary heiraten. Was für ein Wahnsinn, dachte sie und spürte, wie kalte Wut in ihr aufstieg.
»Tu mir einen Gefallen«, stieß sie heiser hervor. »Lass mich in Ruhe mit deinem Bruder. Ich werde lieber einem der jungen Spunde aus Kingston mein Jawort geben, als auch nur noch einen einzigen Gedanken an deinen Bruder zu verschwenden. Soll er mit Mary Tenson glücklich werden!«
»Ich verrate dir jetzt etwas«,
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