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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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mich magisch die Stiegen hinab. Vorsichtig nahm ich eine der Lampen zur Hand und zündete ein Licht an. Die Stufen der Treppe knarzten bei jedem Schritt. Unten aber herrschte weiterhin Totenstille. Ob sie Pit inzwischen zu einem Arzt gebracht hatten? Mir war übel vor lauter Angst. Doch ich setzte tapfer einen Fuß vor den anderen. Unten an der Treppe blieb ich noch einmal stehen. Das Einzige, was ich in diesem Augenblick hörte, war das laute Pochen meines Herzens. Ich holte noch einmal tief Luft und hatte plötzlich das Gefühl, puren Rum einzuatmen. Es roch hier unten immer sehr stark, aber ich vermisste die Mischung aus der modrigen Feuchte des Kellergewölbes, dem typischen Geruch des Holzes und einem Hauch der Rumwürze. Alles schien getränkt von dem Aroma des Rumdestillats, das in den Fässern lagerte und darauf wartete, zu dem einzigartigen und so gut trinkbaren Hensen-Rum zu reifen. Man lief förmlich Gefahr, allein vom Atmen einen Rausch zu bekommen. Also hielt ich die Luft an und wagte mich zwischen den Fässern hindurch. Mir war ganz und gar nicht wohl, aber ich musste sichergehen, dass ich nichts übersehen hatte.
    »Pit?« Heiser rief ich seinen Namen und dann noch einmal lauter, doch ich bekam keine Antwort. Vielleicht hatte sich jemand einen Scherz erlaubt? Ich beschloss umzukehren, bevor ich am Ende des ersten Ganges angelangt war. Warum sollte ich mich noch tiefer in den Keller begeben, wenn es vergeblich war?
    Seufzend hielt ich inne. Ein Blick zur weißen Wand hinter mir ließ mich erschaudern. Mein Schatten wirkte im Schein der Lampe übermächtig. Um mein Gewissen zu beruhigen, sollte ich wenigstens einen Blick um die Ecke wagen. Ich war mir plötzlich ganz sicher, dass sich tatsächlich jemand einen bösen Spaß mit mir erlaubt hatte. Was konnte es sonst für einen Sinn haben, mich abends in den dunklen und verlassenen Keller zu locken?
    Ich warf einen flüchtigen Blick um die Ecke und wollte gerade umdrehen, um diesen ungastlichen Ort schnellstens zu verlassen, als ich stutzte. Ich war noch nicht häufig hier unten gewesen, aber dass ein Fass mitten im Gang stand, war meines Wissens nicht üblich. Zögernd näherte ich mich dem Fass, bis ich erstarrt stehen blieb. Obwohl ich das Bild des Entsetzens deutlich vor mir sah, wollte ich es nicht glauben. Ich rieb mir die Augen, redete mir ein, meine Phantasie hätte einmal mehr bizarre Blüten getrieben. Doch was ich sah, war unverändert: Der Oberkörper meines Mannes steckte zu einem Drittel im Fass. Seine Beine hingen in der Luft wie bei einem zappelnden Käfer. Bevor mein Herz begriff, was mein Verstand sofort erfasst hatte, stieß ich einen mörderischen Schrei aus. Dann griff ich beherzt in die bernsteinfarbene Flüssigkeit und tastete nach seinen Schultern. Ich nahm all meine Kraft zusammen und hievte seinen Körper hoch. Er war so schwer, dass ich fast unter seinem Gesicht zusammenbrach, aber ich schaffte es noch, ihn sanft zu Boden gleiten zu lassen. Dann hockte ich mich schwer atmend neben ihn auf den Boden. Obwohl ich wusste, dass er tot war, legte ich den Kopf auf seine Brust, um seinem Herzschlag zu lauschen. Eine halbe Ewigkeit blieb ich so liegen, als würde ich stumm darauf warten, endlich aus dem Albtraum zu erwachen. Doch langsam machte sich der Schock der Erkenntnis in all meinen Gliedern breit. Und die Übelkeit überraschte mich mit solcher Heftigkeit, dass ich es gerade noch schaffte, den Kopf wegzudrehen, um mich auf dem Kellerboden zu übergeben.
    Während ich mir über den Mund wischte, nahm ich wahr, dass die oberen Reifen des Fasses zerstört worden waren und der Deckel deshalb in das Fass gerutscht war. Schließlich überwand ich mich und blickte ihm ins Gesicht. Ich schlug die Hände vor den Mund, um nicht noch einmal laut aufzuschreien. Sein Mund war weit aufgerissen, als würde er um sein Leben schreien. Ebenso seine Augen, die rot unterlaufen waren. Auch sein Gesicht war feuerrot, sein Haar feucht und wirr. Ich strich ihm eine nasse Strähne zärtlich aus der Stirn. Da konnte ich es riechen. Sein Haar war von Rum durchtränkt. War es ein Unfall, fragte ich mich, doch warum sollte Pit überhaupt auf diese Weise ein Rumfass öffnen, um an das Getränk zu kommen? Zum Gießen war doch das Spundloch da. Nein, dass jemand sich die Mühe gemacht hatte, die Reifen zu zerstören, damit der Deckel ins Fass rutschte, war der Beweis, dass ein Dritter seine Hand im Spiel hatte. Es gab keinen Zweifel, jemand hatte Pit Hensen in

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