Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
›Suns‹ aber warm anziehen! Fuller ist ihre Geheimwaffe. Und jetzt riskiert er ein ›Timed Out‹, weil er Sie wie ein Weltwunder anglotzt. Gucken Sie sich das an! Na so was! Der in der schwarzen Hose ist der Schiedsrichter …« Er lachte triumphierend. »Tatsächlich, es waren glatt drei Minuten. Dann muss er gehen, weil er nicht binnen des Zeitlimits spielbereit war. Meine Güte, so etwas habe ich ja noch nie erlebt! Hat der Mann noch nie eine Frau gesehen?«
Die Kerle, die eben noch James’ Anhänger gewesen waren, buhten ihr Idol jetzt aus. Einer rief: »Junge Lady, hauen Sie ab aus der ersten Reihe. Sie sind bestimmt von den ›Aesculapians‹ eingesetzt!«
Valerie aber hatte den Blick erneut auf James Fuller gerichtet, der scheinbar ungerührt von seinem Ausscheiden nur noch Augen für Valerie hatte. Als er jetzt das Spielfeld verließ und sich auf sie zubewegte, ging ein Raunen durch die Reihen.
»Kennen Sie ihn?«, fragte Doktor Wilson neugierig.
Valerie blieb ihm eine Antwort schuldig. James war jetzt vor ihrem Platz angelangt. Die Beleidigungen, die die von ihrem Batsman enttäuschten Männer ihm zuriefen, schienen an ihm abzuprallen.
»Ich ziehe mich schnell um und warte vor dem Eingang auf Sie!«, raunte James.
»Du gehst schön zurück und wetzt die Scharte aus«, pöbelte Valeries Hintermann wutschnaubend.
»Vielleicht sollten Sie wirklich lieber hierbleiben«, sagte Valerie mit belegter Stimme.
»Ich muss Sie sprechen, und zwar dringend!«, erwiderte James entschlossen und drehte sich wortlos um. Unter den Pfiffen seiner verärgerten Anhänger eilte er zu den Umkleideräumen.
Valerie war verunsichert. Sollte sie seiner Bitte nachkommen oder nach dem Spiel nicht lieber auf den jungen Doktor Brown warten?
»Tun Sie das Ethan nicht an!«, mischte sich Doktor Wilson mahnend ein. »Er hat nämlich mitbekommen, warum Ihr Verehrer ausgeschieden ist. Nicht dass er auch noch rausfliegt, weil er in Gedanken bei Ihnen ist! Denn er ist ein feiner Kerl!«
Mit Erschrecken wurde ihr klar, dass ja nicht nur Doktor Wilson, sondern auch Hunderte von Zuschauern unfreiwillige Zeugen ihres überraschenden Wiedersehens mit James geworden waren. Wie sollte sie Ethan nach diesem augenfälligen Eklat später überhaupt gegenübertreten?
Zögernd erhob sich Valerie. Ihre Entscheidung stand fest. Sie würde sich lieber aus dem Staub machen, bevor das Spiel zu Ende war.
»Tut mir leid«, sagte sie bedauernd. »Tun Sie mir einen Gefallen?«, fügte sie leise hinzu. Doktor Wilson warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Das scheint vererblich zu sein. Genau wie die gute Hanne. In Männern ein Feuer entfachen und sie dann stehen lassen.«
Diese Bemerkung forderte sie geradezu heraus, Grandma zu verteidigen.
»Reden Sie nie wieder so über meine Großmutter«, fauchte sie. »Aber, wenn Ihnen denn wirklich so viel an Ethan liegt, dann bestellen Sie ihm bitte einen schönen Gruß von mir und sagen ihm, mir sei nicht wohl gewesen. Ich wäre nach Hause gefahren.« Sie stockte. »Könnten Sie ihn nach Montego Bay bringen? Wir sind mit unserem Kutscher hier«, fügte sie bittend hinzu.
»Da haben Sie aber großes Glück«, knurrte Doktor Wilson. »Mein Sohn und ich übernachten heute in Montego Bay. Aber ob ich für Sie schwindeln werde, das muss ich mir noch einmal gründlich überlegen.«
»Ach, machen Sie doch, was Sie wollen«, schnaubte Valerie. »Sie sollen nicht für mich schwindeln, sondern dazu beitragen, Ethan die Siegerlaune nicht zu verderben. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, wird wohl seine Mannschaft gewinnen …«
Doktor Wilson aber hörte ihr gar nicht mehr zu, sondern riss plötzlich begeistert die Arme hoch. »Das gibt es nicht. Jetzt macht der zweite Mann auch noch schlapp. Das hat es ja noch nie gegeben, dass der einen Ball verfehlt und ans Wicket prallen lässt. Zwei schnelle Ausfälle der ›Golden Suns‹. Sie scheinen gar nicht so übel zu sein; Sie bringen unserer Mannschaft das Glück, das wir verdienen! Des einen Pest, des anderen Segen!«
Valerie ignorierte Doktor Wilsons spöttische Bemerkung und wandte sich abrupt von ihm ab. Nachdem sie sich vorbei an feixenden Aesculapian-Anhängern und enttäuschten Sun-Fans in Richtung Ausgang gekämpft hatte, warf sie noch einen letzten Blick auf das Spielfeld. Wie betäubt blieb sie einen Moment stehen. Der Gesichtsausdruck des Schlagmannes, der eben ausgeschieden war und nun in ihre Richtung stierte, sprach Bände. Es war eine
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