Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
sich Valerie ein.
»Selbstverständlich. Ich war in London ein gefürchteter Batsman.« Er musterte Valerie fragend. »Sie haben keinen blassen Schimmer vom Cricketspiel, nicht wahr?«
Valerie konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen. »Das stimmt nicht ganz«, entgegnete sie mit gespielter Empörung und fügte hastig hinzu: »Beim Cricket dreht sich alles um das Duell zwischen dem Werfer, auch Bowler genannt, und dem Batsman. Dieser versucht den vom Bowler kommenden Ball wegzuschlagen, wofür er Punkte bekommen kann. Der Bowler hingegen trachtet allein danach, den Batsman zu einem Fehler zu bewegen, damit dieser ausscheidet. Richtig?«
»Genial«, lachte Ethan. »Besser hätte ich das auch nicht erklären können.«
Damit war das Eis zwischen den beiden gebrochen. Sie plauderten und scherzten miteinander, bis Jerome vor einem Park hielt.
»Vieles Glück!«, wünschte er Ethan.
Das Spielfeld war riesig und die Zuschauerreihen schon bis fast auf den letzten Platz besetzt. »Ich werde erst einmal einen Sitz für Sie finden«, sagte Ethan, bevor er seinen Blick durch die Reihen schweifen ließ. »Schauen Sie mal, dort in der ersten Reihe ist ein einzelner Platz. Kann ich Ihnen zumuten, sich allein durchzuschlagen. Ich bin nämlich schon spät dran. Das ist kein guter Einstand beim ersten Mal.« Ethan zwinkerte Valerie zu und verschwand in der Menge.
Es war gar nicht so leicht, sich durch die vollbesetzten Reihen zu kämpfen. Durchgeschwitzt erreichte Valerie schließlich den leeren Platz und ließ sich stöhnend auf den Holzsitz fallen. Als sie sich neugierig umsah, stellte sie erstaunt fest, dass neben und auch hinter ihr nur junge Männer saßen. Lediglich auf der gegenüberliegenden Seite entdeckte sie eine Reihe mit lauter Frauen.
»Für wen spielt Ihr Mann?«, fragte der Sitznachnachbar, ein älterer Herr mit schlohweißem Haar, neugierig.
»Wie kommen Sie darauf, dass mein Mann mitspielt?«, erwiderte sie eine Spur zu unfreundlich, wie sie sich stumm ermahnte, denn der vornehme Herr konnte wohl kaum etwas dafür, dass sie sich zwischen all diesen Männern gar nicht allzu wohl fühlte. Sie kam sich schlicht deplatziert vor.
»Lassen Sie mich raten. Dort drüben sitzen die Damen der ›Golden Suns‹, und da Sie sich auf die andere Seite gesetzt haben, muss Ihr Mann bei den ›Aesculapians‹ sein, nicht wahr?«
»Ich bin nicht verheiratet!«, erwiderte Valerie harsch.
»Oh, entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Dann ist das wohl Ihr Herr Bruder, oder wollen Sie etwa behaupten, dass Sie keinem Mann zujubeln wollen, sondern sich für den Sport interessieren?«
»Ja, ja, Sie haben recht. Mein Bruder spielt bei den Medizinern.«
»Sehr gut, Mylady, ausgezeichnet. Mein Sohn ist auch dort. Und er ist ein hervorragender Bowler.«
»Ja, und mein Bruder ein ausgezeichneter Batsman. Dann kann uns ja gar nichts mehr geschehen«, bemerkte Valerie mit übertriebener Begeisterung, woraufhin ihr der Herr kumpelhaft auf die Schulter klopfte. Ihm war völlig entgangen, dass Valerie nur scherzte. Jetzt hielt er sie für eine Cricket-Kennerin. Dabei hatte sie keinen Schimmer, was genau sie erwartete.
Als die Spieler auf das Feld kamen, erkannte sie Ethan sofort. Sie konnte es nicht leugnen. Er sah in dem hellen Hemd, der weißen Hose und der Kappe auf dem Kopf wirklich gut aus. Er ließ seinen Blick durch die Reihen schweifen und winkte ihr zu, als er sie erkannte. Dabei strahlte er über das ganze Gesicht, bevor er sich auf das Feld zu den anderen gesellte.
Nun begaben sich die beiden Schlagmänner auf ihre Posten, jeweils am Ende eines Spielfelds, das sich auf der Mitte des Rasens befand. Dieser längliche Spielstreifen war an beiden Enden durch eine Art Tor aus Stäben begrenzt. Davor wachten nun die beiden Männer, in der Hand jeweils einen paddelähnlichen Schläger. Aber wer gehörte zu welcher Mannschaft? Das wollte sich Valerie beim besten Willen nicht erschließen. Also stieß sie ihren Nachbarn an. »Entschuldigen Sie, aber wer ist wer? Ich meine, welche Männer da auf dem Feld gehören zu den ›Aesculapians‹ und welche zu den anderen?«
Der ältere Herr betrachtete Valerie schmunzelnd. »Na, da haben Sie den Mund wohl zu voll genommen. Sie haben ja gar keine Ahnung.« Er deutete auf den Spielstreifen. »Das ist die Cricket Pitch, und die wird begrenzt durch die Wickets. Wenn der Werfer …, sehen Sie den Mann, der sich jetzt zwischen den beiden Schlagmännern positioniert? Das ist
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