Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
wachgestreichelt und geküßt hätte, bis sie erregt und bereit für ihn war, stand er auf.
Sex war schließlich nur eine Form der Unterhaltung, keine Obsession, also wirklich.
Er zog eine schwarze Hose an, fand eine Zigarre und sein Feuerzeug, öffnete leise die Terrassentür und trat hinaus.
Die Luft war wie kühler, milder Weißwein. Man konnte sich
richtig daran gewöhnen, und es sogar für selbstverständlich halten. Von hier aus hatte er eine wunderbare Aussicht auf das Meer, auf die zerklüftete Stelle, wo der Leuchtturm stand und seinen hellen Lichtstrahl aussandte.
Jeden Morgen würdest du das gleiche sehen, sagte er sich. Ein paar Boote. Und immer wieder das Geräusch des Meeres im Hintergrund. Er konnte die Sterne sehen, leuchtende Punkte auf dunklem Samt. Der Mond verblaßte schon, verlor seinen Glanz.
Ryan hatte Angst, auch seinen zu verlieren.
Ärgerlich auf sich selbst zündete er seine Zigarre an und blies den Rauch in den Wind.
Wir erreichen nichts, dachte er. Miranda konnte so viele Graphiken und Statistiken machen, wie sie wollte, ihre Chronologien berechnen und ihre Daten eingeben, bis sie ganze Berge von Papier beisammen hatte. Aber sie konnten damit nicht in die Herzen und Gehirne der Beteiligten eintauchen. Sie kamen damit nicht an Gier oder Wut, Eifersucht oder Haß heran. Eine Graphik konnte nicht illustrieren, warum ein Mensch einem anderen das Leben nahm.
Er mußte die Mitspieler kennenlernen, sie verstehen. Doch damit war er noch nicht weit gekommen.
Er war nach Jones Point gefahren, um Miranda kennenzulernen. Sie war eine praktische, realistische Frau, deren Wärme und Bedürfnisse man mit dem richtigen Schlüssel leicht aus ihrem Versteck befreien konnte. Ihre Kindheit war privilegiert und kalt gewesen, und sie hatte darauf reagiert, indem sie sich von anderen Menschen distanzierte, sich ihre eigenen Ziele setzte und dann einen geraden Weg einschlug, um sie zu erreichen.
Ihre Schwäche war ihr Bruder.
Sie hingen zusammen. Ursprünglich mochte dieses Band aus Solidarität, Rebellion oder echter Zuneigung entstanden sein, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Es war echt und stark und einte sie in Loyalität und Liebe. Ryan hatte mit eigenen Augen gesehen, was Andrews Trinken und seine unvorhergesehenen Reaktionen bei Miranda bewirkten. Sie erschütterten sie und machten sie wütend und verwirrt.
Und er hatte während des heutigen Abendessens die Hoffnung und das Glück in ihren Augen gesehen. Sie glaubte, daß
er wieder ganz der alte werden konnte. Sie brauchte diesen Glauben und dieses Vertrauen. Ryan konnte die Vorstellung, es zu zerstören, nicht ertragen.
Also würde er seine Vermutungen für sich behalten. Aber er wußte, wie Sucht, jede Art von Sucht, einen Mann kaputtmachen konnte. Ihn dazu bringen konnte, Überlegungen anzustellen und Handlungen zu begehen, die er sonst niemals begangen hätte.
Andrew leitete das Institut. Er hatte Macht, und er konnte sich so ungehindert bewegen, daß er den Austausch der ersten Bronze jederzeit hätte vornehmen können. Das Motiv hätte Geld sein können oder einfach nur die Lust am Besitz oder an einer Erpressung. Niemand hätte die Diebstähle und die Fälschungen besser in die Wege leiten können als einer der Jones.
Ryan dachte über Charles Jones nach. Er hatte den David entdeckt. Es war nicht ganz unwahrscheinlich, daß er ihn eigentlich hätte behalten wollen. Aber er hätte dabei Hilfe gebraucht. Andrew? Möglicherweise. Vielleicht auch Giovanni. Oder irgendeiner von den Angestellten, der sein Vertrauen genoß.
Elizabeth Jones. Stolz, kalt, ehrgeizig. Sie hatte ihr Leben auf Kunst begründet, aber eher auf deren Wissenschaft als auf ihrer Schönheit. Sie hatte, wie ihr Mann, ihre Familie im Stich gelassen und statt dessen Zeit, Mühe und Energie auf ihre Karriere verwendet. Auf ihr eigenes Ansehen. Wäre eine unbezahlbare Statue nicht die perfekte Trophäe für ein lebenslanges Werk?
Giovanni. Ein geschätzter Angestellter. Ein genialer Wissenschaftler, sonst hätte er nie zu Mirandas Team gehört. Nach dem, was sie erzählt hatte, ein charmanter, allein lebender Mann, der gern mit Frauen flirtete. Vielleicht hatte er ja mit der Falschen geflirtet oder mehr gewollt, als seine Stellung bei Standjo hergab.
Elise. Exfrau. Exfrauen waren oft rachsüchtig. Sie war vom Institut zu Standjo nach Florenz gegangen. Arbeitete in einer vertrauensvollen und mächtigen Position. Vielleicht hatte sie Andrew nur benutzt und ihn dann
Weitere Kostenlose Bücher