Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
Kopf voll war mit den neuesten Plänen für die Ausstellung, runzelte die Stirn und sah Ryan fragend an. »Ja?«
»Harrison Mathers«, wiederholte er. »Erzähl mir von ihm.«
Sie zog ihre Jacke aus und hängte sie in den Garderobenschrank. »Kenne ich einen Harrison Mathers?«
»Er war vor ein paar Jahren ein Student von dir.«
»Da mußt du mir schon mehr als einen Namen nennen, Ryan. Ich hatte Hunderte von Studenten.«
»Er hat vor drei Jahren bei dir an einem Seminar über Renaissance-Bronzen teilgenommen. Er bekam ein Unvollständig.«
»Ein Unvollständig?« Sie dachte nach. »Harry.« Plötzlich fiel er ihr wieder ein – mit einer Mischung aus Vergnügen und Bedauern. »Ja, er war in diesem Seminar. Er war schon seit einigen Jahren am Institut, glaube ich. Sehr talentiert und intelligent. Am Anfang war er sehr gut, sowohl in den schriftlichen Arbeiten als auch im Zeichnen.«
Sie ließ den Kopf kreisen, während sie ins Wohnzimmer ging. »Doch dann schwänzte er auf einmal den Unterricht, oder wenn er kam, sah er so aus, als habe er die ganze Nacht durchgemacht. Irgend etwas lenkte ihn ab, und seine Arbeit litt darunter.«
»Drogen?«
»Ich weiß nicht. Drogen, familiäre Probleme, ein Mädchen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er war erst neunzehn oder zwanzig, es hätten alle möglichen Gründe sein können. Ich habe mit ihm geredet und ihn gemahnt, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Danach wurde es ein bißchen besser. Und dann, kurz vor Ende des Seminars, kam er gar nicht mehr. Er hat nie ein Abschlußprojekt eingereicht.«
»Er hat einen Guß machen lassen. In der zweiten Maiwoche in der Pine-State-Gießerei. Eine Bronzefigur.«
Sie starrte ihn an und setzte sich. »Willst du etwa sagen, er hat etwas mit der Sache zu tun?«
»Ich sagte nur, daß er eine Figur hat gießen lassen, einen David mit der Schleuder. Ein Projekt, das er nie abgegeben hat. Er war da, als der David getestet wurde, und kurz danach hat er das Institut verlassen. War er jemals im Labor?«
Miranda spürte wieder das unbehagliche Gefühl im Magen. Sie erinnerte sich an Harry Mathers. Nicht deutlich, aber gut genug, daß es schmerzte. »Alle Seminarteilnehmer sind im Labor gewesen. Jeder Student durchläuft die Labors, die Restaurations- und die Forschungsabteilung. Es ist Teil des Programms.«
»Mit wem war er zusammen?«
»Ich weiß nicht. Ich kümmere mich nicht um das Privatleben meiner Studenten. Ich erinnere mich auch nur deshalb so deutlich an ihn, weil er echtes Talent hatte und es am Ende zu vergeuden schien.«
Sie spürte, daß sie Kopfschmerzen bekam. In den letzten Stunden war sie unablässig mit der Ausstellung beschäftigt gewesen. »Ryan, er war noch jung! Er kann nichts mit dieser Fälschung zu tun gehabt haben.«
»Als ich zwanzig war, habe ich ein Madonnenmosaik aus dem dreizehnten Jahrhundert aus einer Privatsammlung in Westchester gestohlen, und danach bin ich mit Mary Ann Grimaldi zum Pizzaessen gegangen.«
»Wie kannst du nur mit so was angeben?«
»Ich gebe nicht an, Miranda. Ich konstatiere nur eine Tatsache und weise darauf hin, daß das Alter nichts mit bestimmten Verhaltensweisen zu tun hat. Wenn ich angeben wollte, hätte ich dir von dem T’ang-Pferd erzählt, das ich vor ein paar Jahren aus dem Met gestohlen habe. Aber das hatte ich nicht vor«, fügte er hinzu, »weil du dich dann immer so aufregst.«
Sie starrte ihn nur an. »Ist das ein Versuch, meine Stimmung zu heben?«
»Hat nicht funktioniert, nicht wahr?« Und weil sie plötzlich so müde aussah, ergriff er die Flasche Weißwein, die er schon geöffnet hatte, und schenkte ihr ein Glas ein. »Versuch es mal damit.«
Doch statt zu trinken, schob sie das Glas von einer Hand in die andere. »Wie hast du das mit Harry herausgefunden?«
»Feldforschung, ein kurzer Ausflug.« Ihre traurigen Augen lenkten ihn ab. Er setzte sich auf die Armlehne ihres Sessels und rieb ihr den Nacken und die Schultern. »Ich muß für ein paar Tage fort.«
»Was? Wohin?«
»Nach New York. Ich muß mich um ein paar Details kümmern, unter anderem auch um den Transport der Stücke für die Ausstellung. Außerdem will ich nach San Francisco und deinen Harry suchen.«
»Er ist in San Francisco?«
»Laut Auskunft seiner Mama, ja, aber sein Telefon ist stillgelegt.«
»Das hast du alles heute in Erfahrung gebracht?«
»Du machst deinen Job, ich mache meinen. Wie läuft’s bei dir?«
Sie fuhr sich nervös durch die Haare. Diese Diebeshände waren
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