Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
Sünder?«
»Wie bitte?«
»Schon immer die beliebtesten Themen der Kunst: Heilige und Sünder. Die grobe, ausschweifende Sexualität und die Selbstsucht der Götter und Göttinnen neben der Brutalität des Krieges und dem großen Leiden der Märtyrer.«
Er betrachtete das glückselige, wenn auch etwas verzerrte Gesicht des heiligen Sebastian, der gerade von Pfeilen durchbohrt wird. »Ich habe Märtyrer nie verstanden. Ich meine, was hatten sie davon?«
»Ihr Glaube ist die naheliegende Antwort.«
»Niemand kann dir deinen Glauben nehmen, aber dein Leben – und zwar auf bösartige, erfindungsreiche Weise.« Ryan hakte seine Daumen in die Hosentaschen. »Pfeile für den allseits beliebten Sebastian, lebendig geröstet für den guten alten San Lorenzo. Kreuzigungen, abgeschnittene Körperteile. Löwen, Tiger und Bären. Du liebe Güte!«
Miranda mußte kichern. »Deshalb sind es ja Märtyrer.«
»Genau.« Er wandte sich von Sebastian ab und strahlte sie an. »Sie stehen also der heidnischen Horde und ihren primitiven, aber schrecklich wirkungsvollen Foltermethoden gegenüber. Warum haben sie nicht einfach gesagt: ›Klar, kein Problem, Jungs und Mädels. Welchen Gott soll ich eurer Meinung nach heute anbeten?‹ Was man sagt, hat doch nichts mit dem zu tun, was man denkt oder glaubt. Aber es kann deinen Lebensstatus verändern.«
Er wies mit dem Daumen auf die Leinwand. »Frag bloß mal den armen gequälten Sebastian.«
»Du hättest wahrscheinlich noch deinen Vorteil aus den Verfolgungen geschlagen.«
»Verdammt richtig.«
»Was hältst du von Mut, Überzeugung und Integrität?«
»Warum soll ich für eine Sache sterben? Es ist doch besser, dafür zu leben.«
Während Miranda noch über seine Philosophie nachdachte und versuchte, die Fehler darin zu entdecken, schlenderte er zu einem Tisch, auf dem kunstvoll religiöse Artefakte ausgelegt waren. Silberkruzifixe, Abendmahlskelche, Reliquien.
»Du hast erstaunliche Arbeit geleistet, Dr. Jones.«
»Ich glaube, es ist in Ordnung so. Die Tizians sind neben deinem Raffael der Hauptanziehungspunkt dieses Raums. Es ist ein großartiges Stück, Ryan.«
»Ja, ich mag es auch sehr. Möchtest du ihn kaufen?« Er drehte sich um und grinste sie an. »Das Schöne an meinem Geschäft ist, Dr. Jones, daß alles einen Preis hat. Bezahl ihn, und er gehört dir.«
»Wenn du es ernst meinst mit dem Verkauf des Raffael, arbeite ich ein Angebot aus. Die meisten unserer Stücke sind allerdings Schenkungen oder Dauerleihgaben.«
»Noch nicht einmal für dich, Liebling.«
Sie zuckte nur mit den Schultern. Sie hatte nichts anderes erwartet. »Ich würde die Dunkle Lady hierhin stellen«, sagte sie plötzlich. »Immer, wenn ich mir den Raum vorstellte und an seiner Ausstattung arbeitete, sah ich sie vor mir – auf einer weißen Säule, an der sich Wein hochrankt. Genau hier.« Sie trat vor. »Unter dem Licht. Wo sie jeder sehen kann. Wo ich sie sehen könnte.«
»Wir bekommen sie zurück, Miranda.«
Sie erwiderte nichts, verärgert über ihre Tagträumereien. »Möchtest du den nächsten Raum sehen? Wir haben deine Vasaris schon aufgehängt.«
»Später.« Er trat zu ihr. Er mußte es hinter sich bringen. Er hatte eigentlich vorgehabt, es ihr sofort zu sagen, hatte es aber nicht über sich gebracht, abermals diesen erschreckten Ausdruck in ihren Augen zu verursachen. »Miranda, mein Bruder hat mich aus San Francisco angerufen. Sie haben letzte Nacht eine Leiche aus der Bucht gefischt. Es war Harry Mathers.«
Sie starrte ihn an. Dann schloß sie die Augen und wandte sich ab. »Es war kein Unfall. Und es war auch kein Zufall.«
»Mein Bruder sagt, die Nachrichten seien nicht besonders ergiebig gewesen. Sie haben lediglich gesagt, daß er schon tot war, als man ihn ins Wasser warf.«
Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten, dachte Ryan. Aber es gab keinen Grund, warum er ihr das erzählen sollte. Wer es getan hatte und warum, wußte sie ja bereits.
»Jetzt sind es bereits drei. Drei Menschen sind tot. Und warum?« Mit dem Rücken zu ihm starrte sie auf das Gesicht
der Madonna. »Wegen Geld, wegen Kunst, wegen der Selbstsucht? Vielleicht aus allen drei Gründen.«
»Oder vielleicht aus keinem von ihnen. Vielleicht bist nur du der Grund.«
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie drehte sich um. Er sah die Furcht in ihren Augen und wußte, daß sie nicht um sich selbst Angst hatte. »Wegen mir? Kann mich wirklich jemand so sehr hassen? Warum? Ich vermag mir niemanden
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