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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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drinnen meine Anwesenheit entdeckte und urplötzlich in Deckung ging. Es war umso eindrucksvoller, als ich diesmal von vornherein gewusst hatte, dass niemand im Haus sein würde.
    „Wir sind allein hier“, bemerkte Alec. Seine blauen Augen hingen mit einem interessierten und ein wenig argwöhnischen Blick am Gesicht des Geistlichen.
    „Ja, wir Lebenden“, erwiderte dieser ohne Zögern. „Aber das Haus wimmelt von Schatten. Hier sind sehr viele Erinnerungen aktiv. Jedes Bauwerk hat ein Gedächtnis, und dieses scheint ein besonders gutes Gedächtnis zu haben.“ Dann wurde er wieder ganz praktisch. „Wo wollen wir anfangen? Oben oder unten?“
    „Unten“, schlug Alec vor. „Im Souterrain.“
    Ich sah angespannt zu, wie Schilmer seine Tasche öffnete und die kostbar gestickte Stola herausnahm, deren Enden er ehrfürchtig küsste, ehe er sie umlegte. Danach brachte er eine Schale, einen Weihwedel und einen höchst prosaischen Plastikkanister zum Vorschein, der zweifellos Weihwasser enthielt. Er füllte die Schale mit Wasser, dann drückte er mir Schale und Kanister in die Hand. „Wollen Sie das bitte halten ... danke.“ Das Letzte, was er der Tasche entnahm, war ein Gebetbuch. Er schlug es auf und begann ohne weitere Einleitung den Segen zu lesen, während er den Flur zur Küche entlangschritt. Dabei drehte er sich immer wieder zu mir um, tauchte den Wedel in die Schale, die ich trug, und spritzte reichlich Weihwasser auf Boden und Wände. Alec, der sich an diesem Tag mühsamer als sonst auf seinen Gehstock stützte, und ich folgten ihm in andächtigem Schweigen.
    „Der Herr segne und behüte dieses Haus ... der Herr gebiete seinen heiligen Engeln, es zu beschützen ...“
    Die Worte, die der Geistliche mit lauter Stimme vorlas, hallten in dem leeren Flur, und ich hatte das merkwürdige Gefühl, dass viele unsichtbare Augen und Ohren aufmerksam spähten und lauschten, was da vor sich ging. Die Stille, die in dem Gebäude herrschte, wurde wie die Stille in einem Wald von hunderterlei kaum hörbaren Geräuschen unterbrochen.
    Dann kehrte der Priester um und ging den hinteren Abschnitt des Flurs entlang.
    Ich merkte sofort, dass er etwas spürte. Cocos Zimmer hatte er noch mit forschem Schritt und klingender Stimme betreten, aber jetzt zögerte er. Seine Schritte wurden langsamer und ebenso sein Singsang. Er las die heiligen Worte stockend, als bekäme er nicht genug Luft, machte alle halben Sätze weit eine Pause und holte tief Atem. Doch ließ er sich nicht abschrecken, sondern kämpfte sich weiter bis zur Hintertüre. Das neue Badezimmer bekam seinen Segen. Wir kehrten um. Martin Schilmer hob den Weihwedel und spritzte eine reichliche Portion auf die metallene Türe des Aufzugs.
    Das Wasser zischte, als sei es auf eine glühende Platte gefallen.
    Ich sah dünne Fäden von weißem Dampf von der Türe aufsteigen.
    Im selben Augenblick kam aus dem Keller deutlich hörbar das Schnurren der Aufzugsmaschinerie – ein Geräusch, als würde eine altmodische Uhr aufgezogen. Noch während wir alle wie erstarrt standen, hielt die Kabine mit einem gedämpften Stoß in unserem Stockwerk an, und der grüne Knopf mit dem „Kabine hier“ leuchtete auf. Das Licht im Inneren ging an. Aber was wir durch das Drahtglas hindurch sahen, war nicht das gelbe Licht einer Aufzugskabine. Das war ein feuriger Schein, als loderten Flammen da drinnen! Diese Feuerzungen beschränkten sich auch nicht auf das Innere der Kabine. Sie züngelten rundum an den Ritzen heraus, sodass die gesamte Türe von einem Saum zischender roter Flammen umkränzt war. Dann erschienen die Augen.
    Jedes von ihnen war etwa dreißig Zentimeter lang und mandelförmig und sah aus, als hätte es jemand aus einem farbigen Foto geschnitten und an die Türe des Aufzugs geklebt. Die Augen waren rot, die längs geschlitzten Pupillen von einem galligen, abstoßenden Grün. Um jedes waberte ein Kranz schwacher schwefliger Flämmchen. Sie starrten uns an, mit einer Bosheit des Ausdrucks, dass es uns allen den Atem verschlug, und doch merkwürdig unlebendig wie die Augen eines Gemäldes.
    Im nächsten Augenblick ertönt ein heftiger dumpfer Krach, als Alec in einer instinktiven Bewegung der Abwehr mit seinem Gehstock an die metallene Tür schlug, und sofort erloschen die Augen ebenso wie die Flammen. Ein schwacher, widerlicher Geruch wie von einer eben ausgelöschten Kerze zog durch den Flur. Der Spuk war verschwunden.
    Nur die Liftkabine war immer noch da.
    Die Szene

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