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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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Ihrem Rasen herumbuddle“, erklärte er. „Ich hätte Sie vorher fragen müssen.“
    Ich beschwichtigte ihn rasch. „Nein, machen Sie nur. Ich habe sowieso kein Talent dafür. Sie sind wohl ein begeisterter Gärtner?“
    „Ich arbeite gerne mit den Händen. Nachdem ich den ganzen Tag am Computer sitze, muss ich Erde unter den Fingern spüren.“
    Er stand immer noch so demütig da, als hätte er nach wie vor Angst, dass ich ihm das Herumpusseln in meinem Garten verbieten könnte, und weil mir das peinlich war, plauderte ich ein Weilchen mit ihm über sein Hobby. Er lebte sofort auf. Voll Eifer führte er mich erst durch den Vordergarten und dann in den Hintergarten und erklärte mir alles, was er dort schon gerodet und angepflanzt hatte. Wie er hören ließ, war der Hintergarten völlig von Gestrüpp und Brennnesseln überwachsen gewesen, als er vor drei Jahren eingezogen war. „Dort hat niemand mehr einen Handgriff getan, seit das Bestattungs-Institut aufgegeben wurde. Die Brennnesseln wuchsen so hoch wie junge Bäume.“
    Ich kannte gerade nur Lilien und Rosen und hatte darüber hinaus keine Ahnung von Pflanzen und Blumen, also begnügte ich mich damit, seinen Fleiß zu bewundern und zu allem Ja und Amen zu sagen, was er vorschlug. Anscheinend war er nach seinem Triumph vom Vortag fest überzeugt, dass er für immer hierbleiben würde, denn er schmiedete weitreichende Zukunftspläne. Vor allem wollte er am hintersten Ende des Gartens, wo dieser an das verwilderte Nachbargrundstück stieß, eine tiefe Kompostgrube ausheben, um sein Gemüse mit selbst hergestelltem Dünger zu versorgen, und er bat höflich um Erlaubnis dafür. Mir war es recht.
    „Waren Sie“, fragte ich, „immer schon so begabt fürs Gärtnern?“
    Er lächelte verlegen über die harmlose Frage. Dann erzählte er mir, dass er zeitlebens gerne „gebuddelt“ hatte, dass es ihm aber als eine einfältige und bäurische Beschäftigung erschienen war, mit der ein Geschäftsmann keine Zeit verschwenden durfte. Also hatte er den Wunsch unterdrückt und sogar darauf geachtet, dass er nicht entdeckt wurde, wenn er in einem öffentlichen Park spazieren ging und sehnsüchtig an den Büschen herumzupfte. „Ich hatte“, berichtete er, „ein Haus mit einem eigenen Garten, aber irgendwie schämte ich mich, dort herum zu graben, obwohl es mich immer wieder in den Fingern juckte.“
    „Aber es ist doch nichts Verwerfliches daran, im Garten zu arbeiten?“
    Er zuckte die Schultern. „Das kommt wohl auf den persönlichen Standpunkt an ... auf die Perspektive, aus der man die Dinge sieht. Ich stamme aus einer Familie, die ursprünglich sehr arm war. Mein Vater hatte sich mühsam hochgearbeitet, und ich wurde so erzogen, dass ein erfolgreicher Mann niemals irgendein Interesse an ‚niederen‘ Dingen zeigen durfte. Mein Vater konnte furchtbar wütend werden, wenn er mich bei irgendetwas erwischte, was er als proletarisch betrachtete. Das erinnerte ihn an die Zeit, wo er selbst arm und verachtet gewesen war, und er konnte diese Erinnerung nicht ertragen. Wenn wir essen gingen, dann immer nur in die feinsten Restaurants, und wehe mir, wenn ich nicht Tischmanieren wie ein Prinz an den Tag legte.“ Plötzlich lachte er – ein Lachen mit einem Unterton von Traurigkeit. „Sie werden es nicht glauben, Frau Sperling, aber das ging so weit, dass ich Dinge wie Currywurst und Fritten immer nur heimlich aß. Es hätte ihn zornig gemacht, und noch schlimmer, er hätte mich dafür verachtet, so wie er sich selbst für seine plebejische Herkunft verachtete.“
    „Ich lache überhaupt nicht“, versicherte ich aus tiefstem Herzen. „Mir ging es sehr ähnlich, nur ärgerte meinen Vater alles, was ‚amerikanisch‘ war. Wenn ich Cola trank, fuhr er schon aus der Haut. Lieber hätte er sich die Zunge abgebissen, als irgendetwas zu essen, was aus Amerika kam oder sonst irgendwoher aus dem Ausland. Ich erinnere mich, dass er auch wütend wurde, wenn ich chinesisch essen ging. Er war überzeugt, dass die Chinesen alle ihre Speisen mit Opium würzen.“
    Wir lachten einander an – zwei Menschen derselben Generation, die sehr Ähnliches erlebt hatten. Wir hatten eine gemeinsame Wurzel entdeckt, unser Alter, und ich stellte wiederum mit Erstaunen fest, wie stark ich mich zu meinem Gesprächspartner hingezogen fühlte, obwohl sein heruntergekommenes Äußeres mich nach wie vor abstieß. Bislang hatte ich gedacht, er sei, wie so viele allein stehende Männer, nur zu faul, um

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