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Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Das Haus der Feuerfrau (German Edition)

Titel: Das Haus der Feuerfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Büchner
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sich regelmäßig zu waschen und sich die Haare zu bürsten. Aber jetzt fragte ich mich, ob seine Schlamperei ein später Protest gegen einen Vater war, der unbedingt einen Prinzen als Sohn haben wollte.
    „Es gab“, fuhr Robert Junkarts fort, und seine Stimme klang wieder traurig, „sicher auch noch einen weiteren Grund, warum ich mich nicht überwinden konnte, mich meinem Garten zu widmen. Ein Garten ist etwas Lebendiges, und den größten Teil meines Lebens war ich nicht der Mensch, der sich für Lebendiges interessiert hätte. Mir war nur eines wichtig: Geld, Geld und wieder Geld, und die Macht, die ich über andere ausüben konnte. Ich muss innerlich vollkommen tot gewesen sein.“ Er bückte sich und zupfte energisch ein Stück Unkraut aus, das sich in sein Gemüsebeet einschleichen wollte. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich überhaupt erst in den letzten drei Jahren zu leben begonnen habe. Früher war ich nichts Besseres als eine Rechenmaschine. Aber in diesen Jahren wurde alles anders.“
    „Ich weiß“, bestätigte ich. „Ich habe Ihre Homepage gelesen. Sie war ... erstaunlich.“
    „Warum?“, fragte er überrascht.
    „Nun ... Sie haben keinem anderen die Schuld gegeben als sich selbst.“
    Er zuckte die Achseln. „Es hatte ja auch kein anderer Schuld. Wem sollte ich denn Vorwürfe machen außer mir selber? Der Gesellschaft? Meinen Eltern? Gott?“ Er lachte leise und abschätzig auf. „Nein, Frau Sperling, das bringt einen nicht weiter. Wenn irgendjemand anderer einen Anteil an meiner Schuld hat, dann muss er oder sie das selber regeln; ich habe es einfacher und nützlicher gefunden mir zu sagen, dass ich allein für mich verantwortlich bin. Ich bin ein erwachsener Mann, ich bin nicht dumm, ich habe alle meine Verbrechen bei klarem Verstand und mit freiem Willen begangen, also musste ich auch die Strafe schlucken.“ Einen Moment lang zog ein Ausdruck von bitterem Schmerz über sein Gesicht, aber er lächelte schon wieder, als er das spanische Sprichwort hinzufügte: „Nimm, was du willst, spricht Gott, und bezahle dafür.“
    „Dann glauben Sie an Gott?“
    Er sah geradezu erstaunt aus. „Oh ja – natürlich. Obwohl das eine lange und komplizierte Geschichte ist und Sie mich wahrscheinlich für einen Spinner halten werden.“
    „Robert, nach allem, was in diesem Haus passiert, halte ich
niemanden
mehr für einen Spinner.“
    Ich hatte gar nicht registriert, dass ich ihn mit Vornamen angesprochen hatte, aber er hatte es bemerkt und zuckte einen Augenblick lang zusammen, als hätte ich ihm damit wehgetan. Erst da fiel es mir auf, und gleichzeitig wurde mir auch seine körperliche Nähe überwältigend stark bewusst. Ich empfand sie ebenso anziehend wie abstoßend. Beides, Erregung und Ekel, hatte seinen Ursprung darin, dass ich spürte, wie gegenwärtig ihm seine Verletzungen waren. Sie mochten äußerlich vernarbt sein, aber innerlich waren sie immer noch so roh und wund wie in der Nacht, als eine Polizeistreife ihn aufgegriffen hatte, einen Mann, der unter die Räuber gefallen war, und der Schmerz, die Scham und die Erniedrigung waren kaum geringer als damals.
    Er musste ein sehr sensibler Mann sein, denn er nahm sofort die Botschaften wahr, die ich aussandte. Wieder fühlte ich, wie eine Welle von Schmerz ihn durchlief. Mir fiel auf, dass er dabei den Kopf hob und die Schultern straffte, als stellte er sich mit seiner gesamten Persönlichkeit diesem Schmerz, körperlich und seelisch – ja fast, als wollte er sich nichts davon entgehen lassen, als wollte er ihn förmlich auskosten! Und gleichzeitig wurde mir eines klar: Robert Junkarts hatte nicht nur gelernt, mit seinem Schmerz zu leben. Er hatte gelernt, ihn zu
lieben
.
    Er war nicht der erste Mann dieses Schlages, den ich kennen lernte. Während die meisten Menschen, wenn ihnen Qualen zugefügt wurden, nur an Flucht denken konnten, gab es andere, die innerlich kehrtmachten und sich diesen Qualen in die Arme warfen. Sie stürzten sich kopfüber in ihr Leiden, und manche von ihnen gewannen dadurch eine märtyrerhafte Schönheit und Würde, während andere zu den verächtlichen Sklaven ihrer Erniedrigung wurden. Der ehemalige Gentleman-Verbrecher gehörte zweifellos zu den ersteren.
    Ich hegte keine Verachtung für solche Männer, im Gegenteil, ich bewunderte sie für die Würde und die aufrechte Haltung, mit der sie Leiden ertrugen, solches, das gegen ihren Willen über sie gekommen war, und solches, das sie suchten. Manche lebten

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