Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
Tagebuch?«
»Tagebuch? Was für ein Tagebuch? Nein, es war im Zusammenhang mit Krista.«
Er stützte die Ellbogen auf die polierte Mahagonibar und deutete mit dem Kinn auf eine Wand, die mit Familienfotos bedeckt war: seine drei Ex-Frauen, seine Tochter Krista aus zweiter, sein Sohn Robbie aus erster Ehe. Desmond teilte sich das Sorgerecht für die Kinder mit ihren Müttern, so daß Krista und Robbie ständig zwischen verschiedenen Wohnsitzen pendelten.
»Was ist mit Krista?« Das letzte Foto in der Reihe zeigte ein hübsches Mädchen, das die Kerzen auf einem Kuchen mit der Aufschrift »Süße Sechzehn« ausblies.
Desmond lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck Ginger-ale. »Vor etwas über einem Jahr zeigten sich bei Krista Anzeichen einer Blutkrankheit. Sie bekam schnell blaue Flecken, kleine Wunden wollten nicht heilen. Als man ihr den Blinddarm entfernte, brauchte sie drei Blutkonserven. Ihr Arzt sagte uns, die Symptome könnten auf mehr als eine Erkrankung hindeuten, und um eine Behandlung einzuleiten, müßte zuerst festgestellt werden, um welche davon es sich handle. Möglicherweise, erklärte er, litt Krista an einer ererbten genetischen Störung, der Willebrandschen Krankheit, die eine ganz bestimmte Therapie erforderte. Wenn sie diese Krankheit aber nicht hatte, konnte die Therapie ihr sogar schaden. Deshalb brauchte er eine ausführliche Krankengeschichte der Familie. Als ich ihm erklärte, daß ich adoptiert sei und meine leiblichen Eltern nicht kennen würde, riet er mir dringend, soviel wie möglich über sie herauszufinden, weil es für die geplante Behandlung meiner Tochter von entscheidender Wichtigkeit wäre.«
»Also gingst du zu Großmutter.«
»Bingo.« Er salutierte mit seinem Glas. »Zuerst versicherte mir die alte Dame, sie wisse nicht das geringste über meine wirklichen Eltern, aber als ich ihr meine Notlage schilderte und ihr erklärte, wie ungeheuer wichtig es sei, daß eine Vererbung ausgeschlossen würde, gestand sie mir schließlich, daß sie zwar nicht wisse, wer mein Vater sei, mir jedoch bestätigen könne, daß meine Mutter nicht an der Willebrandschen Krankheit gelitten habe. Ich fragte sie, woher sie das so genau wüßte, und da ließ sie die Bombe platzen.« Er stieß ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Ich wünschte, ich hätte ein Foto von meinem Gesicht in diesem Moment!«
Er ging um die Bar herum und hinunter in die versenkte Mitte des Raums, um lange in das Feuer zu starren, wie gebannt von den glühenden Scheiten und dem Flammenteppich.
Dann drehte er sich wieder zu Charlotte um. Der ironische Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. »Und dann fiel mir ein, daß ich irgendwann einmal gehört hatte, warum deine Großmutter von Urgroßmutter Fiona das Haus erbte. Irgend etwas darüber, daß Iris an der gleichen geistigen Störung litt wie Richard Barclays Schwester. Also hatte meine Tochter doch keine ererbte Blutkrankheit, weil das, was in unserer Familie liegt, der Schwachsinn ist.«
»Iris war nicht schwachsinnig«, sagte Charlotte mit harter Stimme.
»Sie war total verrückt!« schrie Desmond plötzlich, und Jonathan trat instinktiv einen Schritt näher zu Charlotte.
»Schaut euch an«, bemerkte Desmond hämisch. »Immer noch ganz vertraut!«
Charlotte wollte, daß er weitersprach. »Du hast also die Wahrheit herausgefunden. Und dann?«
»Nun, du warst in Europa und sahst dir diese faszinierenden Pharmazieunternehmen an. Die große Charlotte von Harmony Biotec wurde überall eingeladen und ausgeführt und bekam Wellcome und Merck und Bayer gezeigt, während ich Gott auf den Knien dankte, daß meine Tochter nur eine heilbare Blutkrankheit hatte, und ihn gleichzeitig verfluchte, weil er mich als Sohn einer Idiotin zur Welt kommen ließ, die nicht einmal wußte, daß sie Sex hatte.«
»Hast du es noch jemandem erzählt? Adrian oder Margo?«
»Spinnst du? Margo hätte durchgedreht. Außerdem fing mein kleiner Plan gerade an zu reifen, und ich wußte, wenn Mammi und Daddy die Wahrheit über mich erfuhren, würden sie irgend etwas tun, um ihn mir zu verderben.«
»Was war das für ein Plan?« fragte Jonathan. Charlotte fühlte seine Anspannung und hörte den gefährlichen Unterton in seiner Stimme.
»Findest du es nicht witzig, Charlotte?« fuhr Desmond fort, ohne auf Jonathan zu achten. »Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, Margo Freude zu bereiten, weil ich wußte, daß sie in ihrem tiefsten Inneren darunter litt, daß ich kein Barclay
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