Das Haus der Harmonie: Roman (German Edition)
möchte, daß du abreist, Jonathan.«
Er lächelte. »Diese Möglichkeit gibt es gar nicht.«
»Er greift Menschen an, die mir nahestehen. Du könntest der nächste sein.«
»Hör zu, niemand weiß, daß ich hier bin. Wir halten meine Anwesenheit einfach weiterhin geheim. Und wir strengen uns noch mehr an, herauszufinden, wer er ist.« Er sah auf ihre glatten, elfenbeinfarbenen Hände. Auf dem Weg hierher hatte Charlotte erst geweint und dann vor Wut getobt. Schließlich war sie still geworden. Innerhalb eines halben Tages war sie einem Mordanschlag nur knapp entgangen, hatte geglaubt, Zeugin des Mordes an ihrer Haushälterin geworden zu sein, und hatte um ein Haar ihre beste Freundin bei einem Brand verloren. Es kam gar nicht in Frage, daß er abreiste.
»Ich will sie sprechen«, dröhnte plötzlich eine Stimme, »und das sofort!«
Jonathan fuhr herum. »Was …«
»Es ist Agent Knight.« Charlotte entzog ihm ihre Hände und ging hinüber ins Büro.
Sie erreichten den Überwachungsmonitor, als Knight gerade sagte: »Würden Sie sie bitte suchen und ihr mitteilen, daß ich sie sprechen muß?« Er stand im Empfangsbereich der Vorstandsbüros, die Hände in die Hüften gestemmt, das Kinn wie eine Bulldogge vorgeschoben.
Desmond wirkte nervös und aufgeregt. »Mr. Knight, ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich keine Ahnung habe, wo meine Cousine steckt.«
»Ach ja? Sie ist nicht in ihrem Büro, und ihre Sekretärin ist nach Hause gegangen. Sieht so aus, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte, wie?«
»Ich sollte lieber hingehen.« Charlotte griff nach ihrem Regenmantel.
Jonathan hielt sie zurück. »Geht es dir denn auch wirklich gut? Knight kann ruhig noch eine Weile schmoren.«
»Ich habe jetzt keine Zeit, mich zu schonen, Jonathan. Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Sie sah auf den Computer. Ein Querbalken auf dem Bildschirm füllte sich langsam und zeigte damit an, wie hoch der Anteil der bisher geprüften Produktionsprotokolldaten war. Eine Zahl in einem kleinen oberen Fenster, die sich laufend änderte, zeigte die Anzahl der Verweise an, die zum Schlüsselwort gefunden wurden.
»Ihr verwendet Ephedrin bei dreizehn Produkten«, hatte Jonathan erklärt. »Zufällig sind es alles sehr gängige Produkte, vor allem dieser Goldlotuswein. Nach Wonne verkauft er sich am besten. Weißt du, wieviel Goldlotus ihr pro Jahr herstellt? Es wird eine Weile dauern, bis wir den unvollständigen Produktionsabschnitt gefunden haben.«
Jonathan war überzeugt, daß der Täter das Ephedrin von einem der anderen Erzeugnisse »geborgt« und irgendwie in die Rezeptur von Wonne, Zehntausend Yang, Goldlotus und Mei-ling-Balsam hineingeschrieben hatte. Die Aufgabe bestand darin herauszufinden, aus welchem Produktionsabschnitt er es herausgenommen hatte und die entsprechenden Protokolle mit den Herstellungsprotokollen der verfälschten Produkte zu vergleichen. Wenn er das hatte, wollte er die Nutzerdokumentation überprüfen und feststellen, wer an den jeweiligen Tagen Zugang zur Produktionsdatenbank gehabt hatte. Obwohl fast tausend Mitarbeiter auf der Gehaltsliste von Harmony Biotec standen, konnte es nicht allzu schwierig sein, diejenigen herauszufinden, die über ausreichende Möglichkeiten und Kenntnisse verfügten, ein Produkt zu manipulieren. »Es muß jemand mit Server-Berechtigung sein«, hatte Jonathan gesagt. »Jemand, der Zugang zu der Funktion ›Neue Rezeptur schreiben‹ hat. Zumindest jemand, der an die Paßworte dafür herankommt. Das System zeichnet auf, was ein Nutzer veranlaßt hat, und wird uns so zu ihm führen. Wir kriegen ihn.«
Charlotte war weniger zuversichtlich. Die Zeit wurde knapp. Agent Knights Eingreifteam mußte unterwegs sein. Und wenn diese Leute erst alles beschlagnahmten, konnten sie und Jonathan nirgends mehr in das System eindringen.
Sie schlüpfte in ihren Regenmantel. »Ich gehe zu Knight, bevor er auf den Gedanken kommt, mich selbst zu suchen.« Sie hielt inne. »Ich habe Des gesagt, ich wollte mir die Konten anschauen, um festzustellen, ob irgendwelche Unregelmäßigkeiten darin auf einen unzufriedenen Mitarbeiter hinwiesen. Ich sollte lieber ein paar Nachweise dafür mitnehmen. Kann ich an die Konten heran, während deine Suche läuft?«
»Du brauchst nur ein neues Fenster zu öffnen.«
Sie setzte sich hin, blätterte die Finanzdateien auf und tippte Nutzername, Kennung und Paßwort ein.
»Zugang ungültig. Bitte geben Sie Ihr Paßwort ein.«
»Zu schnell getippt«, murmelte
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