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Das Haus der Rajanis

Das Haus der Rajanis

Titel: Das Haus der Rajanis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alon Hilu
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ihre Nerven ohnedies geschwächt sind. Allein dies hat sie mir angedeutet, mit bleicher Stirn und aschgrauem Gesicht, dass der Junge zu fiebern begonnen und sein Körper sehr geschwächt sei. Wie kann ich wissen, ob sie die Wahrheit sagt oder die Phantasie es ist, die aus ihrer Kehle sich bricht?
    Heute ist ein bedeutsamer Tag, da er im Vorwege bestimmt für die Fundamentlegung der ersten Häuser der Kolonie, die Behausungen der Bauern und Weinbauern. Daher sind alle Hände emsig am Werke, am Rande des Hügels zu graben und Pfähle einzutreiben, Schubkarren kommen und gehen, und Gerätschaften türmen zu Haufen sich auf.
    Als Erste trafen die ägyptischen Arbeiter ein, schwer kujoniert von ihren muselmanischen Aufsehern, und in ihren grämlichen Gesichtern meinte für einen Moment ich die der ägyptischen Pachtbauern zu sehen, die von hier in ein anderes Land gegangen, und ein Erröten überkam meine Seele. Nach ihnen kamen die Vermesser, dann die Kolonisten und zuletzt die Mitglieder der Chowewim mit ihrem würdevollen Habitus und den sichtbar gut genährten Bäuchen. Große, fröhliche Aufregung erfasste das ganze Gut, und vor meinen Augen konnt ich langsam, aber stetig die Kolonie erstehen sehen, von der seit meinem ersten Tage im Lande Zion ich geträumt. Eine große Grube markierte den Ort des Verwaltungsgebäudes, eine andere den der Synagoge. Hier würden die Häuser der Bauern errichtet und hier die Gemüsegärten angelegt. Der arabische Zuchtmeister führte die ägyptischen Arbeiter von Baugrund zu Baugrund, die Fundamente mit ihren Schaufeln und Spitzhacken noch zu vertiefen.
    Dennoch war nicht im mindesten mir frohgemut ums Herz.

10. März 1896, Neve Shalom
    Der Junge ist endlich erwacht aus seinem Schlafe, und sein erster und unbedingter Wunsch war, mich so bald als möglich zu sehen. Vergeblich mühten die beiden Frauen sich, ihn davon abzubringen, da sie befürchten mussten, dass die Aufregung seine letzten Kräfte würde aufzehren. Am Ende ward entschieden, dass heute gegen Abend, gleich nach Sonnenuntergang, ich mich in sein Zimmer werde begeben, zu einem Tête-à-Tête, welches seine Mutter auf eine bloße halbe Stunde limitiert, um den Jungen nicht dem völligen Untergang zu weihen.

    Heute zur Abendstunde wird unser Feind und Bedrücker ins Haus kommen, und ich habe Amina Anweisung gegeben, ihn unverzüglich zu meinem Zimmer zu schicken, um ihn zu dem entscheidenden Duell zu fordern, seinem unweigerlich nahenden Tod, einem Kampf Mann gegen Mann, denn die Weinranken auf meinem Dolch sind entflammt bereits, und bis zum Nahen der ersehnten Stunde ging ich, mich mit meinen Freunden, den Dschinnen, zu beraten, den Bewohnern der Flüsse und Bäche, um magische Kräfte und Zauberkünste aus ihren wässrigen Händen zu empfangen, doch der König der Dschinne residiert nicht mehr in der
Biara
unseres Gutes, nachdem er von dort geflohen vor der ratternden und lärmenden Maschine, die der Feind und Bedrücker mitgebracht, weshalb ich ihn im Wadi Musrara suchen ging, vielleicht hatte seinen Wohnsitz ja dorthin er verlegt, doch das Wadi war nicht tief genug und sein Bewuchs nur spärlich, weshalb ich weiter nach Norden ausschritt, seinem gemäßigtenStrom folgend, bis zu der Stelle, wo mit einem breiten Flusslauf er sich verbindet, dessen Wasser süß und seine Ufer von Bäumen beschattet, der Fluss El-Ouja, in dem sich vor vielen Jahren Naima bint Naim aus enttäuschter Liebe das Leben genommen, wie die Dorfbewohner sich erzählten, und ich schaute auf das Wasser und die Fische und die dort sich suhlenden Wasserbüffel, rief nach dem König der Dschinne und streute Brotkrumen aus, ihn damit an die Wasseroberfläche zu locken, fragte die Kreaturen des Flusses, ob sein prachtvolles Schloss sie gesehen, die spitzen Türme und vielen untertänigen Diener, und hielt suchend Ausschau nach den feuchten Stufen, die hinab zu seinen Toren führen mussten.
    Der Dschinn war wohl verschwunden, hatte aber versteckte Fingerzeige dem Wissenden hinterlassen, wie den plötzlichen Vorbeiflug der Schwalben oder ein geheimnisvolles Flüstern in den Ästen des Johannisbrotbaumes oder die sonderbare Ballung der Federwolken am Himmel, und diese Zeichen führten mich zu einer Windung des Flusses, wo das Wasser sehr tief war, und dort am Ufer raffte ich mein Gewand, tauchte meine Zehen ins Wasser und wartete, wie ein Fischer, der seine Angelrute auswirft, bis das Wasser sich zu kräuseln begann, eine zarte Gischt auf den Wellen tanzte

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