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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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alten Sachen bist du ... herausgewachsen. Du wirst dich besser fühlen, wenn du etwas Schönes, Neues zum Anziehen hast.«
    »Ja«, sagte Laura. Es klang folgsam und wenig überzeugt.
    »Geh jetzt nach oben.«
    Frances sah Laura nach, wie sie mit der Grazie eines trächtigen Schafes aus der Küche tappte. Sie fühlte sich plötzlich völlig energielos und setzte sich wieder hin. Angewidert starrte sie auf den Pudding, erinnerte sich an Lauras Finger, die darin herumgewühlt hatten. Es war fast drei Uhr in der Frühe, als sie sich endlich aufraffte, den gesamten Inhalt der Schüssel in den Abfalleimer zu kippen, die Schüssel ins Spülbecken zu stellen, das Licht auszuknipsen und ins Bett zu gehen.
    Am nächsten Morgen stellte sie erst Adeline, dann Marjorie zur Rede.
    »Ich habe Laura letzte Nacht in der Speisekammer erwischt«, sagte sie zu Adeline, »sie war drauf und dran, alles zu verschlingen, was ihr in die Finger fiel. Wir haben uns unterhalten. Sie gab zu, daß es schon häufig zu solchen nächtlichen Exzessen gekommen ist. Du mußt das mitbekommen haben, Adeline. Und erzähle mir nicht, du habest nicht gewußt, wer da nachts die Vorräte plündert! In diesem Fall hättest du lamentiert ohne Ende und alles darangesetzt, herauszufinden, wer der Schuldige ist. Du wußtest, daß es Laura war, und du hast sie gedeckt! «
    »Ach Gott, was hätte ich denn machen sollen!« jammerte Adeline. »Das arme Ding bei Ihnen anschwärzen? Sie hat so viel mitgemacht! Ich war froh, daß ihr mein Essen schmeckt, da habe ich gern ein Auge zugedrückt! «
    »Du hast ihr damit aber keinen Gefallen getan. Laura ist krank. Sie braucht Hilfe, und du hättest unbedingt mit mir reden müssen.«
    Adeline antwortete nicht, preßte nur die Lippen zusammen. Ihre Miene verriet, daß sie für neumodischen Unsinn hielt, was Frances da erzählte. Krank! Das Kind hatte einen gesunden Hunger und schlug dabei ein bißchen über die Stränge. Na und? Das gab sich schon wieder, wenn Laura erst in das Alter kam, in dem sie den Jungen gefallen wollte.
    Marjorie gegenüber schlug Frances schärfere Töne an.
    »Ich habe gehört, du machst dich lustig über deine Schwester. Du bezeichnest sie als fett und eklig. Stimmt das?«
    Marjorie machte ein bockiges Gesicht und schwieg.
    »Ob das stimmt, will ich wissen«, wiederholte Frances.
    Marjorie hob den Blick, starrte Frances trotzig an. »Ist sie’s nicht?« fragte sie herausfordernd. »Ist sie nicht fett und eklig und verfressen? Sagen Sie doch mal, was Sie von ihr denken! «
    »Marjorie, das reicht! Wenn du unverschämt wirst, kannst du mich von einer Seite erleben, die dir äußerst unangenehm sein wird, hast du das verstanden?«
    In Marjories Augen trat unverhohlene Feindseligkeit. »Wollen Sie mich schlagen? Das dürfen Sie nicht!«
    »Du würdest dich wundern, wie wenig ich mich im allgemeinen darum schere, ob ich etwas darf oder nicht! Du solltest es jedenfalls nicht darauf ankommen lassen!«
    Marjorie erwiderte nichts.
    »Also, du wirst Laura von nun an in Ruhe lassen«, fuhr Frances fort. »Keine Gehässigkeiten mehr, hörst du? Und denke daran, daß ich ein wachsames Auge auf dich habe. Also versuche nicht, mich zu hintergehen!«
    »Kann ich jetzt gehen?«
    »Ja — wenn wir uns einig sind.«
    Marjorie drehte sich um und verließ wortlos das Zimmer.

    Im April kapitulierten die Griechen vor den eingefallenen deutschen Truppen. Die ihnen zu Hilfe geeilten Engländer mußten den Rückzug antreten. Zum erstenmal, seitdem er das Amt des Premierministers innehatte, wurde Kritik an Winston Churchill laut; man warf ihm vor, keine klare Linie zu verfolgen, zwar großartige Reden zu halten, darüber hinaus aber bislang wenig im Kampf gegen die Deutschen vorweisen zu können. Allgemein machte sich Mutlosigkeit breit. Im Mai zerstörte ein deutscher Bombenangriff das Gebäude des Unterhauses. Vielen erschien das als ein böses Omen.
    Zu diesem Zeitpunkt bewegten Frances allerdings weniger die Gedanken an eine mögliche deutsche Invasion; vielmehr begann sie, sich zunehmend Sorgen um Alice zu machen, die seit mehr als zwölf Wochen nichts mehr von sich hatte hören lassen. Das war ungewöhnlich und konnte nach Frances’ Ansicht kaum etwas Gutes bedeuten. Sie hatte zweimal an die letzte Adresse geschrieben. Auf den ersten Brief kam überhaupt keine Antwort. Auf den zweiten reagierte schließlich die Vermieterin. In einer haarsträubenden Orthographie teilte sie Frances mit, die Selleys seien im März

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