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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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rasend auf die Nerven. Sie herrschte die Ärmste oft ungeduldig an, und dann war Laura tagelang am Boden zerstört. «
    »Du warst viel hier als Kind?«
    Er nickte, und in seine Züge, die so kühl waren an diesem Morgen, trat wieder ein Ausdruck von Wärme.
    »Sehr viel. Ich mochte Frances Gray. Sie hatte so viel Stolz. Sie war eine Kämpfernatur. Hat sie in ihrem Buch geschrieben, daß sie als junges Mädchen mit den Suffragetten im Gefängnis saß? Sie hatte Mut und Kraft. Sie züchtete Pferde und brachte mir das Reiten bei. Manchmal durfte ich hier übernachten. Ich liebte das Haus. Daleview kam mir immer kalt und düster vor. Ich glaube, daß ich dort immer fror. Ich friere da noch heute.«
    Genau das, was Frances über das Haus sagte, dachte Barbara, und was auch Victoria empfand. Vielleicht gibt es das: ein Haus, in dem einfach niemand glücklich werden kann.
    »Wann hat dir Marguerite von jenem... Vorfall im Krieg erzählt? « fragte sie.
    »Sehr spät. Als mein Vater schon längst nicht mehr lebte und ich bereits verheiratet war. Meine Mutter starb 1974, sechs Jahre vor Frances Gray, obwohl sie ja wesentlich jünger war. Sie war hier nie wirklich heimisch geworden. Ich glaube auch, sie ist über den schrecklichen Tod ihres ersten Mannes nicht hinweggekommen. Die Ehe mit meinem Vater war eine Vernunftsache, das Beste, was eine arme Emigrantin tun konnte. Sie kamen ganz gut miteinander zurecht, aber ... nun, ihr Herz gehörte einem Toten, und Vaters Herz ... Er hat von Kindheit an Frances Gray geliebt, das dürfte auch in dem Buch stehen, und bis er starb, hat sich daran nichts geändert.«
    Barbara nickte.
    »Meine Mutter bekam Krebs und wußte schließlich, daß es zu Ende ging. Ich war einunddreißig damals. Ich weiß bis heute nicht, weshalb sie mir, drei Tage bevor sie starb, diese alte Geschichte anvertraute. Meine Mutter war katholisch, vielleicht belastete es sie, mit dem Wissen um einen ungesühnten Mord in die Ewigkeit zu gehen. Es mir zu sagen bedeutete möglicherweise eine Art Beichte für sie; aber es wäre sicher besser gewesen, sie hätte einen richtigen Priester geholt.« Er schwieg einen Moment. »Ich sagte Laura erst acht Jahre später, daß ich alles wußte«, sagte er dann, »und sie fiel aus allen Wolken vor Entsetzen. Arme, alte Schachtel. Sie hätte sicher nie gedacht, daß Marguerite das Geheimnis ausgerechnet ihrem nichtsnutzigen Sohn anvertraut.«
    »Bist du ein nichtsnutziger Sohn?« fragte Barbara.
    Er trat näher. »Als was würdest du mich denn bezeichnen?«
    »Ich weiß nicht viel über dich«, entgegnete Barbara und trat einen Schritt zurück. »Cynthia erzählte, daß du zuviel trinkst. Und du mißhandelst deine Frau. Sie sah schrecklich aus, damals in Cynthias Laden kurz vor Weihnachten. Ich weiß nicht, ob der Begriff ›nichtsnutzig‹ das trifft, was du bist.«
    »Nenne mir den Begriff, den du verwenden würdest! «
    »Unbeherrscht«, sagte Barbara, »jähzornig. Brutal.«
    Er deutete eine ironische Verbeugung an, aber in seinen Augen war ein gefährliches Glitzern. »Vielen Dank für die reizende Charakterisierung! «
    »Du hattest mich gefragt.«
    »Du bist also mit einem unbeherrschten, jähzornigen, brutalen Mann ins Bett gegangen. Und hast es verdammt genossen, wie ich den Eindruck hatte.«
    Sie mühte sich um Festigkeit in ihrer Stimme. »Wir sollten davon nicht mehr sprechen.«
    »Aha. Wieder ganz die alte!« Das Glitzern in seinen Augen verstärkte sich. »Möchtest du gern wissen, wie ich dich sehe? Perfektionistisch. Überkontrolliert. Keiner darf merken, wieviel von dem dicken Mädchen, das so oft verletzt wurde, noch in dir schlummert.«
    »Immerhin schädige ich niemanden.«
    »Niemanden. Außer — dich selbst!«
    »Das ist meine Sache.«
    Er nahm eine ihrer langen, blonden Haarsträhnen in die Hand, ließ sie zwischen zwei Fingern hindurchgleiten. »Ich bewundere dich«, sagte er leise, »ich bewundere diese eiserne Entschlossenheit, mit der du der Welt dieses schöne Bild einer absolut perfekten Frau zeigst. Ich habe diese Entschlossenheit auch an Frances Gray bewundert. Du erinnerst mich an sie, Barbara, das war schon auf den ersten Blick in Cynthias Laden so, obwohl du um ein Vielfaches schöner bist. Frances galoppierte noch mit über achtzig Jahren hier auf ihren Pferden herum, obwohl sie unter Arthrose litt, und wenn sie sich unbeobachtet glaubte, sah man, wie schwer ihr jede Bewegung fiel. Aber sie hätte sich eher die Zunge abgebissen, als das

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