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Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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gleichzeitig spürte sie ein paar erste Lebensgeister wieder in sich erwachen.
    »Ich muß in Westhill nach dem Rechten sehen. Barbara — die Mieterin — klang eigenartig am Telefon.«
    »Wann hast du denn mit ihr gesprochen? Im Moment klingt sie sicher sehr seltsam. Sie macht sich Sorgen um ihren Mann. Der ist gestern morgen losgezogen, um etwas Eßbares zu organisieren, und dann hat sie nichts mehr von ihm gehört. Sie macht sich schreckliche Sorgen.«
    »Ich habe gestern ganz früh mit ihr gesprochen. Da kann sie sich noch keine Sorgen gemacht haben. Da war ihr Mann sicher noch gar nicht weg.«
    »Dann hat sie sich eben schon Gedanken gemacht, weil er weg wollte! Lieber Himmel, Laura, du bist doch wohl nicht extra aus Chatham gekommen, weil Barbara am Telefon eigenartig klang?«
    Laura ignorierte die Frage. Was wußten die Leute schon? Sie hatte es satt, daß jeder immerzu nur den Kopf über sie schüttelte.
    »Barbaras Mann ist immer noch nicht zurück?« fragte sie anstelle einer Antwort.
    »Ich weiß es nicht.« Eine Spur Besorgnis klang durch Cynthias Worte. »Ich habe vorhin schon zweimal in Westhill angerufen. Es meldet sich niemand.«
    »Es meldet sich niemand?« Laura ließ ihre Tasse sinken. »Das kann doch nicht sein!«
    »Nun, ich habe die Befürchtung, daß sich Barbara auf den Weg gemacht hat, ihren Mann zu suchen. Das würde bedeuten, alle beide irren sie jetzt irgendwo herum. Ich habe ihr dringend geraten, auf jeden Fall im Haus zu bleiben. Aber... sie war wirklich sehr nervös. Möglich, daß sie es nicht mehr ausgehalten hat.«
    »Darf ich es noch einmal versuchen?«
    »Bitte!« Cynthia wies auf den Telefonapparat, der auf dem Ladentisch stand.
    »Wenn du meinst, du hast mehr Glück...«
    Laura wählte die Nummer und wartete. Sie ließ es eine halbe Ewigkeit klingeln.
    Niemand hob am anderen Ende ab.
    »Ich verstehe das nicht!« sagte sie.
    »Wenn sie sich morgen noch nicht melden, müssen wir sie suchen«, beschloß Cynthia.
    Laura sank wieder auf ihren Stuhl. Ihre Beine fühlten sich wachsweich an. Sie war so erschöpft . . . Es war zu ärgerlich, nicht mehr jung zu sein! Alles ging einem immer sofort über die Kräfte!
    »Ich trinke noch den Tee zu Ende und ruhe mich eine Viertelstunde aus«, sagte sie, »und dann mache ich mich auf den Weg.«
    »Das ist Wahnsinn, Laura. Selbst ein Mensch, der jünger und stärker ist als du, hätte größte Schwierigkeiten, da hinaufzukommen. Und du bist ohnehin schon am Ende deiner Kräfte. Auf halbem Weg kannst du nicht mehr weiter, da bin ich sicher. Bleib hier. Du kannst gerne bei mir schlafen.«
    »Cynthia, ich bin nicht von Chatham nach Yorkshire gereist, um mich hier in Leigh’s Dale ins Bett zu legen«, sagte Laura. Es klang eine Entschlossenheit aus ihr, die Cynthia nie zuvor an ihr erlebt hatte.
    »Ich muß nach Westhill. Ich will nach Westhill! Und ich werde es schaffen! «
    »Du wirst tot umfallen!«
    Laura sagte nichts mehr. Sie schien sich völlig auf ihren Tee zu konzentrieren — und auf etwas in ihrem Innern, das ihr Kraft geben sollte.
    Cynthia machte eine hilflose Handbewegung. Was sollte sie tun? Diese sturen, alten Leute, die ihre Möglichkeiten überschätzten und immer auf dem beharrten, was sie sich vorgenommen hatten, auch wenn alles dagegen sprach und sie sich nur Schaden zufügen konnten. Altersstarrsinn nannte man das. Cynthia hatte das bei ihrer eigenen Mutter erlebt und kannte es von vielen alten Männern und Frauen im Dorf.
    Bei Laura allerdings überraschte sie deren Beharrlichkeit. Laura hatte nie auf etwas bestanden, was sie sich vorgenommen hatte, sobald irgendeine andere Person Einwände erhob. Laura konnte nach Cynthias Ansicht gar nicht auf etwas beharren. Sie war ein Blatt im Wind, ein Mensch, so völlig abhängig von der Meinung anderer, daß sie nicht einmal genau wußte, was sie selbst wollte, geschweige denn, daß sie den Mumm gehabt hätte, es durchzusetzen.
    Laura fragte stets: »Was meinst du? Was denkst du? Was glaubst du? « Und wenn man ihr auseinandergesetzt hatte, was man meinte, dachte, glaubte, zog sie den Kopf ein und sagte: »Ja, du hast recht! « Und ließ umgehend das Vorhaben fallen, das zuvor vielleicht als erster, schwacher Ansatz zu einem Entschluß in ihr gekeimt war.
    Espaßte überhaupt nicht zu ihr, auf einmal etwas gänzlich Verrücktes zu tun und nicht hinzuhören, wenn man ihr abriet. Und genaugenommen hatte sie Cynthia nicht einmal um deren Ansicht gefragt. Das paßte noch weniger zu ihr.

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