Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Der Schwestern

Das Haus Der Schwestern

Titel: Das Haus Der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
komm mit. Oder willst du, daß er da draußen auf den kalten Steinen liegen bleibt?«
    Sie hatte keine andere Wahl, als ihm in den Gang zu folgen. Ralph stöhnte in seiner Bewußtlosigkeit, als sie ihn hochhoben und ins Eßzimmer hinübertrugen. Sie legten ihn auf die Erde. Fernand brachte noch eine Wolldecke, die er Barbara zuwarf, ehe er das Zimmer wieder verließ und die Tür absperrte.
    Sie hatte ihm ein Lager gebaut, so gut sie konnte, und nach einer Weile, die ihr endlos vorkam, erwachte er endlich aus seiner Ohnmacht. In der Zwischenzeit hatte sie abwechselnd geflucht und gebetet, war im Zimmer herumgelaufen und hatte das Gefühl gehabt, jeden Moment den Verstand zu verlieren.
    Im Wohnzimmer nebenan läutete mehrmals das Telefon. Sie überlegte, wer das sein könnte. Jemand von der Familie natürlich. Oder Cynthia, die sich erkundigen wollte, ob Ralph zurückgekehrt war. Oder Lilian, die schließlich irgendwann ihren Mann vermissen mußte. Den beiden mußte es eigenartig vorkommen, daß sich niemand meldete. Aber ob sie deshalb gleich die Polizei verständigen würden? Und wenn sie es taten — würde die Polizei es für notwendig halten, sich deshalb bis nach Westhill durchzugraben, was aufwendig und teuer war?
    Dann fiel ihr noch etwas ein: Laura befand sich auf dem Weg hierher. Die Frage war, ob sie es schaffen würde. Eine siebzigjährige Frau . . . Doch auch wenn sie tatsächlich den Weg bis Westhill fand, bedeutete sie nicht die geringste Hilfe. Sie konnte gegen Fernand nichts ausrichten. Sie würde nur als Dritte in die Falle tappen und dann auch noch hier festsitzen.
    Marjorie könnte es ebenfalls sein, die hier anzurufen versucht, dachte Barbara, sie macht sich bestimmt inzwischen große Sorgen um ihre Schwester.
    Sie klammerte sich an den Gedanken, daß höchstwahrscheinlich schon drei Menschen nach einer gewissen Zeit bemerken mußten, daß irgend etwas auf Westhill nicht stimmte. Aber wie lange würde es dauern, bis sie tatsächlich etwas unternahmen?
    Sie verstand nicht viel von Medizin, aber eine innere Stimme sagte ihr, daß Ralph rasch Hilfe brauchte. Ihm war äußerlich nichts anzusehen, nur ein paar blaue Flecken würden sich noch auf seinem Körper bilden. Aber seine Bewußtlosigkeit dauerte zu lang, und sie hatte noch die dumpfen Geräusche im Ohr, als sein Kopf wieder und wieder auf die Kanten der Treppenstufen geschlagen war. Eine Gehirnerschütterung war das mindeste. Er konnte auch einen Schädelbruch davongetragen haben. In diesem Fall mußte er in ein Krankenhaus. Es konnte zu Blutungen kommen, die, wurden sie nicht sofort gestoppt, sehr rasch den Tod bedeuten würden.
    Um drei Uhr war Ralph immer noch nicht wieder bei Besinnung. Barbara hatte etwas Schnee auf seiner Stirn verrieben in der Hoffnung, die Kälte würde ihn erwachen lassen, aber er hatte nicht reagiert. Nach langem Suchen fand sie seinen Puls; er schien ihr normal. Auch sein Atem ging regelmäßig. Sie erwog alle Möglichkeiten einer Flucht, aber nichts schien ihr Aussicht auf Erfolg zu haben. Sie rief mehrmals nach Fernand, ohne eine Antwort zu erhalten. Wie schon am Vormittag rührte sich auch jetzt über viele Stunden nichts im Haus. Man hätte vermuten können, daß er weg war, aber inzwischen wußte sie, daß er sich über lange Phasen völlig still verhalten konnte.
    Wenn er bis fünf Uhr nichts von sich hat hören lassen, dachte sie, klettere ich raus, schlage das Wohnzimmerfenster ein und telefoniere mit der Polizei.
    Während sie am Eßtisch saß, starrte sie in den Berg von Asche, der im Kamin lag. Irgendwo glühte noch ein Funke. Frances’ Aufzeichnungen. Verbrannt und vernichtet. Sie wünschte, sie hätte auf Ralphs Rat gehört und das alles nicht gelesen. Oder sie wäre wenigstens so klug gewesen, den ganzen Papierstapel sofort zu verstecken, nachdem sie gewußt hatte, daß er ein gefährliches Geheimnis enthielt. Aber wie hätte sie ahnen sollen, daß die Geschichte nicht abgeschlossen war? Daß sie ihren Fortgang bis weit über Frances Grays Tod hinaus genommen hatte?
    Nichts war vorbei, nichts vergangen. Der ungesühnte Mord an Victoria verlangte nach Aufklärung. Vorher, so schien es, fanden die Überlebenden der Tragödie keinen Frieden.

    Kurz nach vier Uhr wachte Ralph auf und verlangte zum ersten Mal nach Wasser. Barbara hatte geglaubt, er werde zunächst verwirrt sein, kaum wissen, wo und wer er war; aber er fand sich sofort zurecht und erinnerte sich genau, was geschehen war.
    »Was, zum Teufel,

Weitere Kostenlose Bücher