Das Haus Der Schwestern
ist mit diesem Fernand Leigh los?« fragte er, nachdem er versucht hatte, sich aufzusetzen, und mit einem Stöhnen gleich wieder zurückgesunken war. Seine Lippen waren so weiß wie sein Gesicht.
Barbara gab ihm eine Kurzfassung der Ereignisse. Sie berichtete von dem lange zurückliegenden Mord an Victoria Leigh und davon, daß Laura seither in dem Glauben lebte, sie könne dafür belangt werden und alles verlieren, was sie besaß. Sie erzählte, daß Fernand Leigh davon gewußt und dieses Wissen ausgenutzt hatte, indem er die alte Frau über Jahre hin erpreßte. Daß sie ihm auf die Schliche gekommen und dumm genug gewesen war, ihm mit der Polizei zu drohen.
»Er ist jetzt in einer verdammt schwierigen Lage, Ralph«, sagte sie. »Er hat in mir — und nun auch in dir — einen Mitwisser, der ihn unter Umständen ins Gefängnis bringen kann. Indem er dich angegriffen hat, hat er sich auch noch schwerer Körperverletzung schuldig gemacht. Für ihn steht jetzt eine Menge auf dem Spiel.«
»Weißt du, was du da sagst?« fragte Ralph mühsam. »Er hat im Grunde fast keine andere Wahl, als uns umzubringen.«
»Er läßt sich aber viel Zeit damit. Es ist vier Uhr. Wir sind seit drei Stunden hier eingesperrt. Ich frage mich, was er vorhat. Irgendwann wird seine Frau nach ihm suchen. Cynthia wird mißtrauisch werden — und das weiß er. Nebenan klingelt schon dauernd das Telefon.« Sie senkte die Stimme. »Übrigens ist Laura Selley auf dem Weg hierher!«
»Warum das denn?«
»Sie hat mir am Telefon etwas angemerkt, da bin ich ganz sicher. Sie ist wohl überzeugt, ich habe die Aufzeichnungen gefunden, von denen sie ja weiß, daß es sie gibt, und die sie seit Jahren verzweifelt sucht. Sie macht sich entsetzliche Sorgen, daß ich, falls etwas von dem Mord darin steht, zur Polizei gehen werde.«
»Sie wird es nicht schaffen bis hierher«, sagte Ralph, und dann fügte er hinzu: »Ihr ist jedenfalls zu wünschen, daß sie es nicht schafft. Sonst gerät sie auch noch in diese brenzlige Situation.«
Kurz darauf schlief er wieder ein, bis er um Viertel vor fünf erneut wach wurde und abermals um Wasser bat. Draußen war es nun schon dunkel. Barbara hatte eine kleine Stehlampe in der Ecke angeschaltet. Das Deckenlicht ließ sie aus, sie fürchtete, daß die Helligkeit Ralphs Kopfschmerzen verschlimmern könnte.
»Ich hatte mir etwas vorgenommen«, sagte sie, »um fünf Uhr wollte ich versuchen, von draußen in das Wohnzimmer einzudringen und die Polizei anzurufen.«
»Das wird Leigh verhindern.«
»Wenn er noch da ist. Ich habe seit Stunden nichts von ihm gehört.«
»Geh lieber kein Risiko ein, Barbara«, sagte Ralph. Während der letzten Minuten war er noch bleicher geworden. Barbara musterte ihn besorgt.
»Du siehst aus, als ginge es dir ständig schlechter.«
»Mir ist ziemlich übel. Ich fürchte, ich muß mich demnächst übergeben.«
»Das ist normal bei einer Gehirnerschütterung. Aber ich... ich sollte jetzt wirklich versuchen, an das Telefon zu gelangen.«
Das Sprechen fiel Ralph schwer. »Es . . . ist nicht gut . . . ihn zu provozieren.«
Wieder versuchte er ein Lächeln. »Ein schöner Urlaub ist das geworden, was?«
»Wundervoll. Ich verspreche dir, Ralph, zu deinem fünfzigsten Geburtstag schenke ich dir irgend etwas Ungefährliches — einen Computer oder ein Auto...«
»Damit kann man auch verunglücken.«
»Es muß ja nicht jedesmal schiefgehen.«
Er versuchte, seinen Kopf ein wenig zu heben. Die Schmerzen ließen sein Gesicht zerfurcht erscheinen. Er sah um Jahre älter aus.
»Du hast... mit ihm geschlafen, nicht?« fragte er schließlich. »Das hat Fernand Leigh doch... gemeint mit seinen Andeutungen?«
Es hätte keinen Sinn gehabt, etwas abzustreiten. Und das mindeste, was sie Ralph jetzt noch zugestehen konnte, war Ehrlichkeit.
»Ja. Das habe ich. Und ich habe mich noch nie in meinem Leben für irgend etwas so sehr geschämt.«
»Weil er sich... als Lump entpuppt hat?«
»Weil er immer einer war. Und weil ich das vorher schon wußte. Und weil ich trotzdem nicht... widerstehen konnte.«
Sein Kopf sank zurück. »Warum?« fragte er mit einer Stimme, die bleiern klang vor Erschöpfung.
Sie hob beide Arme. »Ich weiß nicht.«
»Das mußt du doch wissen!«
»Es ist so schwierig...«
Sie strich sich die Haare zurück, merkte dabei, daß sie nicht wußte, wohin mit ihren Händen. Gleich würde sie wie ein kleines Mädchen anfangen, an den Fingernägeln zu kauen. Sie setzte sich, legte
Weitere Kostenlose Bücher