Das Haus Der Schwestern
die er sich wegen Charles’ Zurückhaltung gegenüber Frauen insgeheim schon gemacht hatte. Endlich wurde ein Mann aus dem Jungen. Er sollte sich ruhig gründlich die Hörner abstoßen und dann ein Mädchen aus seiner Gesellschaftsschicht heiraten.
Im Mai des Jahres 1890 teilte Maureen Charles entsetzt mit, daß sie schwanger sei. Das Kind werde im Dezember zur Welt kommen.
»Das macht überhaupt nichts«, entgegnete Charles, »ich wollte dich sowieso fragen, ob du meine Frau werden möchtest.«
Maureen, obwohl gerade erst siebzehn geworden, stand wesentlich fester mit beiden Beinen im Leben als der naive Charles und wußte, daß ein Drama auf sie beide zukam.
»Überleg dir das gut«, warnte sie, »deine Familie wird alles andere als erfreut darüber sein.«
»Sie werden sich daran gewöhnen müssen«, erwiderte Charles.
Der Sturm, der nun losbrach, war so heftig, daß er ein weniger fest aneinandergeschmiedetes Paar, als es Maureen und Charles bereits waren, auseinandergerissen hätte. Der alte Richard Gray bekam einen Tobsuchtsanfall nach dem anderen, während sich seine Frau nur noch schluchzend in ihrem Zimmer einschloß und niemanden mehr um sich haben wollte.
»Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen!« brüllte Richard seinen Sohn an. »Es ist völlig unmöglich, was du da vorhast! Es ist ausgeschlossen!«
»Ich werde Maureen heiraten, Vater. Mein Entschluß steht fest, und du kannst nichts mehr daran ändern«, entgegnete Charles mit einer Unnachgiebigkeit in der Stimme, die noch niemand je bei ihm erlebt hatte.
Richard hegte einen bestimmten Verdacht und fragte: »Ist sie ... ich meine, ist sie...? «
»Ja. Sie erwartet ein Kind.«
»Nun, das ist doch keine Tragödie, Junge!« Richard bemühte sich, seine Fassung wiederzufinden und ruhig zu sprechen. »Ich weiß, was in dir vorgeht. Du willst wie ein Ehrenmann handeln. Das ist sehr anständig, aber du tust weder ihr noch dir einen Gefallen, wenn du deine Zukunft wegwirfst. Wir werden sie nicht im Stich lassen, das verspreche ich dir. Sie bekommt Geld. Genug Geld, damit sie das Kind in Ruhe aufziehen kann und dabei nicht im Elend leben muß. In Ordnung? Das ist weit mehr, als sie je hätte erwarten können.«
Charles sah seinen Vater voller Widerwillen an. »Sie würde unser Geld gar nicht nehmen«, sagte er verächtlich, »sie würde es dir vor die Füße werfen. Und außerdem heirate ich sie nicht aus Anstand. Sondern weil ich sie liebe!«
Richard wurde dunkelrot im Gesicht. »Du heiratest sie nicht!« schrie er. »Sie ist ein Dienstmädchen! Und was noch schlimmer ist, sie ist Irin! Und was am allerschlimmsten ist, sie ist katholisch!«
»Das weiß ich alles.«
»Du setzt keinen Fuß mehr in die gute Gesellschaft, wenn du das tust!«
»Auf die gute Gesellschaft kann ich gerne verzichten.«
»Ich werde dich enterben. Du bekommst nichts! Nichts! Und du wirst nicht mehr mein Sohn sein!«
Charles zuckte nur mit den Schultern. Später sagte Maureen manchmal, sie werde sich bis an ihr Lebensende dafür schämen, in dieser Zeit an Charles gezweifelt zu haben. Sie hatte geglaubt, er werde nicht durchhalten, werde letzten Endes nicht die Kraft haben, den Bruch mit seiner Familie zu ertragen.
In Wahrheit hätte Charles es nicht ertragen, von Maureen getrennt zu werden. Er blieb standhaft, auch als ihm sein Vater tatsächlich den Anspruch auf Ländereien und Vermögen aberkannte. Laut Gesetz stand Charles jedoch eine Abfindung zu, deren Höhe sich am geschätzten Wert des Gesamtvermögens orientieren mußte. Er bekam die Westhill Farm in Yorkshire sowie einen Geldbetrag, den er sofort anlegte, um einen monatlichen Ertrag daraus zu haben. Das Geld hatte er ursprünglich ablehnen wollen, aber Maureen mahnte, er solle nicht die Zukunft ihrer Kinder außer acht lassen. Nur mit Hilfe des Geldes war es ihnen dann auch tatsächlich später möglich, George auf eine exklusive Schule wie Eton zu schicken.
Der Kontakt zwischen Charles und seiner Familie riß völlig ab. Seine Eltern und seine beiden Brüder ließen nichts mehr von sich hören. Lediglich seine Schwester Margaret, die immer sehr an ihm gehangen hatte und unverheiratet in London lebte, schrieb regelmäßig und besuchte ihn auch einige Male. Sie verstand sich gut mit Maureen. Beide Frauen bemühten sich immer wieder, Charles zu einem Versöhnungsversuch mit seinem Vater zu bewegen, doch Charles weigerte sich beharrlich. Margaret berichtete, daß auch Richard, den sie ebenfalls
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